Traditionen sind gut - wenn’s die richtigen sind. Mit dem Videofilm »KTS bleibt! Freiburger Frühling 2004 - Kämpfe um Freiräume« stellt sich das Filmkollektiv Cine Rebelde in mehrfacher Hinsicht in eine gute Tradition. In den 80er Jahren sorgte die Medienwerkstatt in der südlichen Dreisammetropole mit diversen Filmen zum Freiburger Häuserkampf für einiges Aufsehen. »Freiburg - Polizeiburg«, so lautete die Devise der frühen 80er, hatten doch die Stadtoberen festgelegt, daß keine Hausbesetzung länger als 24 Stunden dauern sollte. Immerhin war Freiburg zusammen mit Zürich, Frankfurt/Main, Berlin eine der Hochburgen der Besetzerbewegung von leerstehendem Wohnraum.
Lange Zeit fristete nach dem Ableben und der Integration der alten Bewegung die subkulturelle Szene in Freiburg ein Schattendasein. »Punks gegen Langeweile«, radikale Schüler und ein Förderverein Subkultur blieben Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre in Freiburg mit ihren Forderungen nach einem unkommerziellen, selbstverwalteten Freiraum ungehört. Das sollte sich ändern, als 1994 einige Personen und Initiativen ein leerstehendes Haus der ehemaligen französischen Kaserne auf dem Vauban-Gelände enterten: Konzerte wurden veranstaltet, politische Ausstellungen und Diskussionen initiiert. Das Haus wurde flugs KTS genannt, was soviel bedeuten sollte wie: Kulturtreff in Selbstorganisation, gleichzeitig aber auch auf die Anfang der 90er Jahre durchgeboxte stadtoffizielle Kultur- und Tagungsstätte (auch: KTS, jetzt: Konzerthaus), ein in der Bürgerschaft hochumstrittenes Riesenprojekt für 150 Millionen, anspielte.
Als der hemdsärmlige SPD-Bürgermeister Rolf Böhme die alternative KTS räumen ließ, zog man nachts vor seine Bude in der schicken Wiehre und später zu seinem Feriendomizil in Skt. Märgen, es war mächtig was los. Schließlich bot die Stadt geduldete Ersatzobjekte an, als letztes ein leerstehendes DB-Bahngebäude, in dem sich die KTS-Initiative seit 1998 eingerichtet hatte.
Was dort alles passierte und passiert, zeigt in eindrucksvoller Weise der Film: Es gibt einen Infoladen, einen Umsonstladen, in den etwas gebracht und aus dem mitgenommen werden kann, ganz ohne Geld, dann natürlich die Umwelt- und Projektwerkstatt und, nicht zu vergessen, die Konzerte, immer wieder Konzerte. Ein lateinamerikanischer Musiker schwärmt von der KTS als Ort der Experimente einer »arte revolutionario«, zu sehen gibt’s aber relativ viel Rumpel-Punk. Nicht zuletzt diesem ist es auch zu verdanken, daß die KTS nach ihrem eindrucksvollen, vorgezogenen Frühling im Februar und März 2004 erfolgreich in den Sommer gehen konnte. Der Freiburger KTS-Frühling fand nämlich auf der Straße statt mit viel lauter Überzeugungsarbeit, um die drohende und von der Stadt anfangs akzeptierte Kündigung durch die Bahn AG abzuwenden. »KTS bleibt - wie sie ist!« war ein Motto, aber einer der kritisch-solidarischen KTS-Besucher wollte diesen Spruch dann doch in »KTS bleibt, aber bitte nicht so wie sie ist!«, umgewandelt wissen. Vielleicht bezog er sich auf die regelmäßig mit zweistündiger Verspätung beginnenden Konzerte, vielleicht war es aber auch philosophisch gemeint, denn alles ist im Fluß und bewegt sich.
In der vermeintlich liberalen Stadt, die seit 2002 von einem neugrünen Technokraten als Bürgermeister regiert wird, liegt so einiges im argen: knapper Wohnraum, vertriebene Wagenburgen, verhinderte Projekte illegaler Migranten - vor dieser Kulisse, die Cine Rebelde eindrucksvoll ausmalt, wird die Dringlichkeit eines autonomen Freiraums um so deutlicher. »Ihr seht ja auch schon so richtig scheiße aus«, wurden Bürgermeister Dieter Salomon und Joseph Fischer bei einer Freiburger Veranstaltung während des Krieges gegen Jugoslawien entgegengeschmissen (eine Szene, die der Film leider nicht zeigt), »Revolution muß sexy sein«, verkündet ein Transparent auf der Love-and-hate-Parade. Sexy ist die KTS schon, jetzt muß sie nur noch revolutionär werden.
* »KTS bleibt!«, Regie: Kollektiv Cine Rebelde, 58 Minuten, zu bestellen bei Cine Rebelde, c/o Umwelt- und Projektwerkstatt, Baslerstr. 103, 79100 Freiburg, cinerebelde@cinerebelde.org
Quelle: junge Welt vom Dienstag, 18.01.2005