Es sollte ein "gemütlicher Spaziergang" nach Hohenberg werden - die Demonstration gegen Rechtsextreme am Samstag in Rosenberg. Und tatsächlich verlief die Veranstaltung, zu der Menschen aus ganz Baden-Württemberg angereist waren, die längste Zeit friedlich ab. Doch am "Goldenen Kreuz", der Nazi-Immobilie in Hohenberg, drohte die Stimmung umzukippen.
VON ALEXANDRA RIMKUS
ROSENBERG-HOHENBERG Aus sicherer Entfernung beobachten am Samstag die meisten Rosenberger, was sich da gegen 13 Uhr alles vor ihrer Haustür versammelt - begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot sind hunderte junge "Punks" aus dem ganz Land angereist, um gegen die Neonazis um Andreas Thierry zu protestieren. Viele Rosenberger zeigen sich angesichts dieses "Publikums" skeptisch; befürchten eine Eskalation: "Ich hab’ ein ungutes Gefühl, wenn ich diese Leute sehe" - eine Aussage, die man immer wieder von Anwohnern zu hören bekommt. Manch einer wird auch noch konkreter. "Mir geht das Messer in der Tasche auf bei diesen langhaarigen Typen - alles Hartz 4-Empfänger", lautete die Pauschalverurteilung eines jungen Soldaten. Sich der Demonstration anschließen, kommt für ihn "auf gar keinen Fall" in Frage. Dabei benehmen sich besagte Demonstranten zunächst absolut vorbildlich. Friedlich verfolgen die rund 1000 Menschen, darunter im Übrigen auch sehr viele "Bürgerliche", die Kundgebung auf dem Rathausplatz. Hören zu, wie die SPD-Landtagsabgeordnete Ulla Haußmann, "keinen Fußbreit für braunes Gedankengut" fordert und wie der ehemalige Widerstandskämpfer Peter Gingold in einer leidenschaftlichen Rede an die vielen Opfer des Hitler-Regimes erinnert und gleichzeitig dem Staat vorwirft, dem Aufblühen des Neofaschismus Vorschub zu leisten: "Es ist ein Skandal, dass Neonazis unter dem Schutz der Polizei aufmarschieren können und dass sie sich zur Wahl stellen dürfen. Was da geschieht ist ein ständiger Verfassungsbruch." "Gemütlicher Spaziergang"
Etwas sanftere Töne schlägt Mitorganisator Josef Thalheimer an. Er forderte die Massen auf dem Rathausplatz auf: "Begleiten Sie uns bei einem gemütlichen Spaziergang nach Hohenberg." Und das tun dann - trotz manchen Vorbehalts gegen die Antifa-Aktivisten - auch sehr viele Menschen. So wie Angelika Fink: "Ich hab zwar ein mulmiges Gefühl, aber gegen die Rechtsextremen muss man etwas tun. Ich hab’ schließlich Kinder." Auch Philipp Klausmann aus Ellwangen marschiert mit, allerdings nicht ganz vorne bei den teilweise vermummten Antifa-Demonstranten, sondern am sicheren Ende des Zuges. "In der Sache ist die Veranstaltung schließlich vollkommen richtig." Das finden auch Frank Hesse und Benjamin Irschik aus Crailsheim. Mit ihren Kumpels sind sie nach Rosenberg gekommen; zuvor hatten sie schon einige Demos in Schwäbisch-Hall erlebt. Die Leute von der Antifa sind ihnen daher bestens bekannt: "Das sind teilweise richtige Demonstrationstouristen." Mit denen haben Hesse und Irschik selbst nicht viel am Hut - zu radikal und gewaltbereit, finden die beiden jungen Männer: "Da darf man sich dann nicht wundern, wenn die Leute sagen ’Die sind ja auch nicht viel besser’." Aber von Randale und Krawall ist die Samstag-Demo lange Zeit weit entfernt. Friedlich bewegt sich der Demonstrationszug, eskortiert von der Polizei, auf der gesperrten L 1060 in Richtung Hohenberg. Nur gelegentlich sind Sprechchöre zu hören: "Aufruhr, Widerstand - es gibt kein ruhiges Hinterland". Zwischendurch wird noch der Opfer des Hessentaler Todesmarsch gedacht. Doch die Stimmung soll sich noch ändern - beim Erreichen des Ortsschilds "Hohenberg" stachelt ein Rapper mit übler Polemik die Masse an: "Ich will die rechten Nazi-Schweine verrecken sehen", singt er. Die Demonstranten nähern sich der Orrotstraße und damit dem "Goldenen Kreuz". Ein Trillerpfeifenkonzert setzt ein, unhörbar schallt es jetzt durch Hohenberg: "Nazis raus." Hunderte Mittelfinger recken sich den schwarz vermummten Bewohnern des "Goldenen Kreuzes" entgegen, die ihrerseits vom Balkon und von Fenstern aus mittels Teleobjektiv die Demonstranten auf der Straße "abschießen". Plötzlich fliegen Flaschen, Feuerzeuge und andere Wurfgeschosse in Richtung "Goldenes Kreuz"; eine Fensterscheibe klirrt. Die Organisatoren rufen per Lautsprecher zur Ordnung auf; einige bilden eine Menschenkette, stellen sich vor die aufgereihten Polizeibeamten, wollen so die Lage beruhigen. Beobachter, wie der Ellwanger Arzt Dr. Hans-Peter Haas, der friedlich mitdemonstrieren wollte, sind entsetzt: "Das ist doch scheiße!" Der Spuk ist schnell vorbei
Der Spuk dauert nur wenige Minuten - dann ist der harte Antifa-Kern am "Goldenen Kreuz" vorbeigezogen; die gemäßigteren Demonstranten rücken nach, übernehmen wieder das Zepter, die Lage beruhigt sich schlagartig. Einziges Problem jetzt: Die 50 Meter-Bannmeile um den alten Gasthof muss eingehalten werden. Berittene Polizeibeamten machen Druck, fordern die Menschen auf, weiterzugehen. Unterdessen regt sich ein Nachbar von Andreas Thierry fürchterlich auf. Er will keinen Demonstranten auf seinem Grundstück haben: "Ihr seid noch schlimmer wie die anderen!", schimpft er lautstark und muss sich im Gegenzug als "Altnazi" titulieren lassen. Am Ende rückt die Polizei an und riegelt das Grundstück des alten Herrn ab. Was folgt ist die Abschlusskundgebung am Ende Orrotstraße. Nochmal kommen einige kluge Redner, wie der Landtagsvizepräsident Dr. Alfred Geisel zu Wort, dessen Rede von SPD-Stadtrat Hans Rieger verlesen wird. Geisel warnt vor einer Renaissance der Rechten, die sich als Biedermänner mit gutbürgerlichen Umgangsformen präsentieren. "Aber ihre faschistische Gesinnung ist die Gleiche geblieben!", schreibt Geisel, der sich im Übrigen gewünscht hätte, dass es in Rosenberg nur eine "einzige, dafür aber machtvolle Demonstration" gegeben hätte. Bekanntlich hatten in Rosenberg zwei Demos stattgefunden: eine organisiert von der Gemeinde, die andere von der linksorientierten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) aus Schwäbisch Hall. Ob man künftig zusammenarbeitet, scheint mehr als fraglich, besonders wenn die VVN auch weiterhin Antifa-Aktivisten zu ihren Protestveranstaltungen einladen will. Zu beobachten war jedenfalls, dass man mit Parolen wie "Im Kampf gegen die Rechten hat sich Militanz als gutes Mittel erwiesen" (Kundgebungsrednerin Alexandra Kollontel vom Antifaschistischen Aktionsbündnis) in Rosenberg ganz sicher keine breite Zustimmung in der Bevölkerung gewinnen wird. . .
Quelle: Schwäbische Post vom Montag, 11. April 2005
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