"Wir wünschen uns eine bunte, laute und lebendige Love or Hate Parade", hatten Flugblattmacher getextet, "und begrüßen es, wenn die Polizei sich auf das Regeln des Verkehrs beschränkt". Das Flugblatt war eine Persiflage auf die Flugzettel, die Polizeibeamte in legerer Jeansbekleidung am Samstag unter den etwa 2500 Teilnehmern der KTS-Demo verteilten. Die hatten sich vor dem Theater versammelt, um 10 Jahre Kulturtreff in Selbstorganisation zu feiern - und dessen Fortbestand in den gekündigten Räumen des Bahnbetriebswerks zu fordern.
Von unserer Redakteurin Julia Littmann
Mit einiger Unruhe hatten Stadt und Polizei den großen Party- und Protest-Umzug auf Freiburg zukommen gesehen: sollte es zu Ausschreitungen kommen, so die offiziellen Verlautbarungen, stünden die Verhandlungen mit der KTS-Initiative um Verbleib im Bahnbetriebswerk oder um anderweitige Ersatzräume auf dem Spiel.
Die Flugzettel mit Stadtwappen und Polizeistern mahnten entsprechend Kooperation an, - die Plagiat-Version hingegen teilte den "lieben Einsatzkräften" mit, man gewährleiste allen Teilnehmern "das Recht auf eine fette Party". Provokationen vonseiten der Polizei werde man nicht dulden. Und tatsächlich bleibt als Fazit: Parade und Party fanden ohne Zwischenfälle statt, Provokationen blieben allenthalben aus.
Einzige größere Panne beim Demo-Ablauf: Eine Stunde mussten die Demonstranten warten, bis die rund 20 - zumeist dieselbetriebenen - "Partywägen" am Rotteckring aufrollten. Und nochmal eine Stunde dauerte es, bis sich der Umzug durch die Bertoldstraße auf den Weg machte. Mit von der Partie: buntes Partyvolk, der "violent pink Block", Friedensgruppen, DKP und viele andere Gruppen. So auch die Unterstützergruppe, die dem Aufruf des liberalen Bündnisses für den Erhalt der KTS gefolgt waren: etliche Demonstranten in gestandenem Mittelalter, die nötigenfalls mäßigend auf die Teilnehmer einwirken wollten. Die aber kamen auch ohne Mäßigung mit lauter Musik und diversen Redebeiträgen gut durch die Stadt, wurden von den Wägen herunter unermüdlich mit Bier versorgt und versorgten ihrerseits Passanten mit Information. Die KTS stehe jenseits der Verwertungskultur, erklärt da einer. Die ältere Dame nickt, fragt aber nach: "Was heißt das genau?" Na, dass es da keine Kommerzkultur gibt, dass ein politischer Anspruch dahinter stehe. Wie bei Brecht, fragt die Dame. So ähnlich.
Nebendran bleibt ein Wagen mit dicken Boxen drauf stehen und dröhnt Musik auf die Samstagnachmittags-Shopper. Die studieren die Transparente, die vorbeigetragen werden: "Her mit dem schönen Leben!" oder "Was das wieder alles kostet!" Genau, meint einer, der den Zug eher misstrauisch beäugt, das kostet doch alles. Ein Argument, das Gerhard Frey nicht mehr hören kann. Er sitzt für die Grünen im Gemeinderat und ist auf der Demo einer von den "mittelalten Mäßigern": "Die KTS ist eine richtig günstige Investition, wenn man das mal mit anderen Kultur- oder Jugendeinrichtungen vergleicht!" Und dass die KTS bleiben muss, folgern nach fünf Stunden Demo durchaus mehr Menschen, als nur die, die für ihren Erhalt demonstrierten. Die zogen am späten Abend weiter nach St. Georgen und feierten bis Sonntagmorgen auf einem Gewerbegelände. Geboten waren Lagerfeuer und Drum & Bass mit Dancefloor - und sogar der legendäre KTS-Kicker hatte es bis zur polizeibewachten Party-Location geschafft. Allerdings lässt die KTS-Ini auch nach dem gelungenen Party-Wochenende keine Zweifel daran, wo sie in Zukunft arbeiten und feiern will. "Kündigung zurücknehmen!" heißt es in einer Pressemitteilung vom Sonntag.
Quelle: Badische Zeitung vom Montag, 22. März 2004