Von unserem Redakteur Joachim Röderer
Solche Szenen hat es in Freiburg zum letzten Mal vor zehn Jahren gegeben: Die Polizei räumte gestern kurz nach Tagesanbruch mit einem rund 70 Frau und Mann starken Einsatzkommando das Haus 053 im Stadtteil Vauban. 25 "Hausbewohner" und drei Hunde ließen sich widerstandslos abführen. Rangeleien gab es lediglich auf der Straße vor der ehemaligen Kaserne. Dort hatten gut drei Dutzend Sympathisanten den Polizeifahrzeugen per Sitzblockade den Weg versperrt. Unmittelbar nach der Räumung hat die beauftragte Baufirma mit dem Abriss der drei Häuser begonnen.
Einer ungemütlichen Sturmnacht im kalten Haus 053 folgte ein noch ungemütlicherer Morgen für die Besetzer. Um 8 Uhr bereitete ein Teil von ihnen mit fünf morgendlichen Besuchern aus der Nachbarschaft gerade das Frühstück am offenen Feuer vor dem Haus vor, als die Polizei vor dem Gebäude aufzog. Die Räumung ging friedlich über die Bühne. Mit Sack und Pack verließen die Besetzer nach und nach das Haus - und ließen sich in Polizeibegleitung zu einem Einsatzfahrzeug bringen. Um 9.45 Uhr schließlich verließ der letzte Bewohner winkend das Gebäude. Er wurde - wie alle seine Mitstreiter davor - von den Anhängern hinter den Sperrgittern mit Beifall empfangen. Für die Ordnungshüter gab’s Sprechchöre wie "Freiburg, grünes Polizeiburg".
Die 25 Hausbesetzer wurden zur Feststellung ihrer Personalien aufs Polizeirevier gebracht und anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie erwartet eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs. Von den zur Polizeiwache gebrachten Männer und Frauen sollen die wenigsten aus dem Stadtteil selbst kommen, berichtete Polizei-Pressesprecher Ulrich Brecht. Die Vauban-Aktivisten hatten Unterstützung nicht zuletzt von sturmerprobten Wagenburglern und der KTS-Ini bekommen. Die Besetzer wurden im Polizeiwagen zum Revier-Süd gebracht. Zunächst verhinderten Vauban-Aktivisten die Abfahrt der Fahrzeuge durch eine Blockade. Nach einigen Minuten des Zuwartens schoben die Polizeibeamten die Demonstranten aus dem Weg. Dabei gab es auf beiden Seiten jedoch keine Verletzten. Die Aufregung war während der Polizeiaktion unter anderem entstanden, weil unter den Abgeführten auch jene fünf Besucherinnen und Besucher waren, die gerade das Frühstück für die Besetzer gebracht hatten. Am Nachmittag gab’s von der "Initiative für bezahlbaren Wohnraum" Kritik am Polizeieinsatz, weil die Polizei nicht vor Betreten von Haus 053 die Besetzer zur freiwilligen Aufgabe aufgefordert hätte: "Ein klarer Formfehler - viele wären nämlich von sich aus gegangen", sagte Jörg Lange, Vorstand des Forums Vauban.
Bei der Polizei und der Stadtverwaltung weist man diese Vorwürfe zurück. Im Gegenteil: Die Stadt lobte die Polizei für den "umsichtig geplanten und durchgeführten Einsatz". Mit dem Beenden der Besetzung sei lediglich der Beschluss des Gemeinderates vollzogen worden, verlautete aus dem Rathaus. "Ich weiß, dass es eine richtige Entscheidung auf einer klaren Grundlage war", sagte Oberbürgermeister Dieter Salomon. So war es zu einer Deutschland-Premiere gekommen: die erste Räumung, die ein grüner Oberbürgermeister angeordnet hat. Salomon zeigte sich erleichtert, dass die Aktion gestern glimpflich über die Bühne gegangen ist. In der Sache selbst seien in den vergangenen Tagen keine neuen Fakten mehr auf den Tisch gekommen, deswegen hätte es keine Alternative zum Abriss gegeben. So sieht es auch die SPD-Fraktion: In deren Fraktionssitzung hatte die Vauban-Initiative noch einmal versucht, die SPD-Räte zu überzeugen - allerdings ohne Erfolg. Die Grünen gingen gestern per Pressemitteilung in Sachen Abriss auf Distanz zum OB.
Am Abend versammelten sich rund 100 Demonstranten vor dem Rathaus, um gegen die Zerstörung von günstigem Wohnraum zu protestieren. Draußen auf dem ehemaligen Kasernenareal waren die Bagger am Werk. Die Abbruchfirma schob Überstunden bis 22 Uhr: Die Bagger rissen Löcher in die Stirnseiten der Häuser und machten sie unbenutzbar.
Quelle: Badische Zeitung vom Mittwoch, 14. Januar 2004