In der letzten Zeit gab es in verschiedenen Städten eine Kampagne bei der dazu aufgefordert wurde, kostenlos Dinge zu nutzen, die ihnen zustehen: Baden gehen, Straßenbahn fahren oder änliches. Wie zu erwarten war, hat das den sogenannten Ordnungshütern dieses Landes nicht zugesagt, ganz im Gegenteil. Sie suchten und suchen unter dem Vorwurf des Aufrufs zu Straftaten Menschen, die sie für diese Kampagne verantwortlich machen können. So auch in Freiburg. Doch im ehemals friedlichen Breisgau war die repressive Vorgehensweise wegen der Umsonstkampagne nur ein Punkt, warum am vergangenen Samstag, am 18.12., eine Demonstration gegen Repressionen stattfand. Radio Dreyeckland fragte bei Laura nach, was etwa 200 Leute veranlasst hatte, auf die Straße zu gehen.
Laura: Die Demonstration war eine Reaktion auf eine Repressionsmaßnahme die vor kurzem stattgefunden hat. Am 8.12. wurde eine Wohngemeinschaft, in der auch ich lebe, durchsucht. Es waren dort sechs Beamte vom Staatsschutz, das ist die politische Polizei der Kriminalpolizei, und haben sich Zugang zu unserer Wohnung verschafft, morgens um acht. Sie haben dann unsere Wohnung durchsucht, die Gemeinschaftsräume, den Keller und das Auto. Haben alle Computer sämtlicher WG-Bewohner beschlagnahmt und Schriftstücke und Datenträger.
RDL: Was heißt "sie haben sich Zugang zur Wohnung verschafft"? Sind sie brutal rein, oder haben sie einfach geklingelt?
Laura: Sie haben geklingelt und ihren Ausweis und den Durchsuchungsbefehl vorgelegt und sind dann aber ziemlich schnell in die Wohnung.
RDL: So einen Durchsuchungsbefehl gibt es ja eigentlich in unserem Rechtsstaat nicht so schnell. Was haben die denn als Begründung gehabt, warum sie die Wohnung durchsuchen?
Laura: Der Grund ist aus meiner Sicht fragwürdig und lächerlich. Die angeführte Begründung im Durchsuchungsbefehl ist, dass gegen einen unserer Mitbewohner ein Ermittlungsverfahren läuft. Uns zwar soll er angeblich zu einer Straftat aufgerufen haben und zwar in Form eines Flugblattes und auch in Form einer Veröffentlichung auf der Homepage der Antifa Freiburg, www.antifa-freiburg.de. Da soll er zu einer Straftat aufgerufen haben, wobei diese Straftat darin besteht, dass er angeblich Leute zum Schwarzfahren aufgemuntert haben soll, was ja nun doch eine Banalität ist. Die Verhältnismäßigkeit zwischen so einem angeblichen Aufruf und einer Hausdurchsuchung möchte ich mal stark in Frage stellen.
RDL: Wenn einer ein Ermittlungsverfahren hat, warum wurde dann die ganze Wohnung durchsucht?
Laura: Das ist ein weiterer Punkt, den wir als skandalös empfinden. Dass ein Ermittlungsverfahren "nur" gegen einen Bewohner läuft, aber eine komplette 4-köpfige WG bzw. die Zimmer dieser WG komplett durchsucht werden. Begründet wird das einfach damit, dass er auch Zugang zu unseren Zimmern hätte, auch Zugang zu unseren Computern hätte und deswegen auf unseren Computern auch Material, was ihn belasten würde, hätte liegen lassen können.
RDL: Die Demonstration am Samstag war also eine Reaktion auf diese Hausdurchsuchung, aber das muss man sagen, Hausdurchsuchungen gibt es leider unter Linken ziemlich häufig. Dann direkt eine Demo dagegen?
Laura: Ich habe ja vorhin schon gesagt, die Demo ist schon eine Reaktion auf diese Hausdurchsuchung. Die Hausdurchsuchung ist der konkrete Anlass, jetzt diese Demo zu machen, deshalb auch diese zeitliche Nähe. Aber wir sehen sehr wohl die Hausdurchsuchung nicht isoliert, sondern in einem breiteren Kontext. Wir haben das Gefühl, dass in Freiburg in diesem Jahr eine offensive Form der Repression gegen linke bzw. vermeintlich linke Menschen stattfindet.
Das lässt sich zurückverfolgen bis zum Anfang diesen Jahres. Da wäre zum einen die Hausbesetzungen, die hier stattgefunden haben. Also die Hausbesetzung auf dem Vauban-Gelände und die Hausbesetzung in der Basler Straße, auf die mit juristischen Mitteln, mit Gerichtsverfahren und auch mit zahlreichen Verurteilungen ziemlich offensiv und repressiv reagiert worden ist seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft.
Dann sehen wir es selbstverständlich auch im Kontext der Kündigung der KTS, also dem autonomen Zentrum hier in Freiburg. Es gab eine breite Widerstandswelle, die die Existenz des Hauses gerettet hat. Nichtsdestotrotz ist auch die Kündigung eine Repressionsmaßnahme, die im Kontext einer überregionalen Bezugnahme steht. Dass autonome Zentren gekündigt werden ist ja leider auch nichts Neues.
Dann sehen wir es auch im Zusammenhang mit der verstärkten Vertreibung von Obdachlosen und Punks. Die Vertreibung von ihren Schlafplätzen, und dass ihr gesamtes Hab und Gut ihnen jetzt schon mehrmals weggenommen worden ist und in den Müllcontainer geworfen worden ist. Da sehen wir eine Tendenz, Leute aus der Stadt vetreiben zu wollen, die nicht in das "saubere Stadtbild" der Stadt Freiburg passen.
Das lässt sich immer weiter fortführen. Wir sehen das auch im Kontext von der Repression, die gelaufen ist gegen das freie Technofestival Southtek. Das war ein Technofestival, as im Juli stattgefunden hat. Das war ein freies Technofestival, also unkommerziell. Im Zusammenhang mit diesem Festival kam es zu einem ganz massiven Polizeiaufgebot schon am Tag selbst. Es wurde selbst das Schengener Abkommen für einige Tage außer Kraft gesetzt, so dass Menschen aus Frankreich zum Beispiel nicht einreisen durften. Es waren an die 2000 Bullen da, die versucht haben, dieses Festival zu verhindern. Und es kam jetzt auch im Nachhinein noch zu einer Verurteilung von einem Wagenbewohner, der als vermeintlicher Organisator ausgemacht worden ist und der jetzt einige tausend Euro Strafe zahlen muss.
RDL: Ein Indymedia-Artikel, wo es um diese Demonstration am Samstag ging, war überschrieben mit "Das Ende der Breisgauromantik". Ist das hier alles so neu?
Laura: Ich denke schon, dass die Repression und das Vorgehen der Polizei in letzter Zeit für Freiburger Verhältnisse zumindest eine andere Qualität erreicht hat. Dass in dieser Form, wie ich es gerade schon dargestellt habe, mit Repression vorgegangen wird. Dass jetzt hier eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat, was zumindest meines Wissens nach seit vielen Jahren in Freiburg nicht mehr stattgefunden hat, zumindest nicht im Zusammenhang mit der Repression gegen linke Menschen. Und dann sieht man natürlich auch an der Demonstration, die am Samstag stattgefunden hat, ein wahnsinnig massives und für Freiburger Verhältnisse auf jeden Fall neues Vorgehen der Polizei.
RDL: Die Demonstration vom Samstag machte tatsächlich deutlich, dass die beschauliche Ruhe in Freiburg und das ansonsten vorhandene deeskalierende Auftreten der Polizei vorbei ist. Das erste Mal seit Jahren musste eine Demonstration in einem Polizeikessel laufen. Das heißt, die Demonstration konnte zwar durch die Innenstadt gehen, doch umringt von Polizeibeamten. Schon die grpße Zahl von Polizisten war für Freiburg ungewöhnlich, was auch Passantinnen und Passanten bemerkten.
Passant 1: Ich, der aus einem kleinen Land komme, bin selbstverständlich überrascht über die hohe Anzahl von Polizeibeamten, was die kleine - in meinen Augen kleine - Demonstration anbelangt. Das scheint mir schon etwas überzogen zu sein.
Passant 2: Das finde ich ziemlich krass. Ich habe mal durchzuzählen versucht, wie das Verhältnis ungefähr ist. Ich habe es nicht hinbekommen, es genau zu runden, weil es total unübersichtlich ist. Aber es sind schon sehr, sehr viele Grüne.
Passant 3: Ich würde sagen, das ist eine völlig neue Qualität. Auch dieses aggressive Auftreten. Es gab zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder mal einen Kessel hier. Das kenne ich überhaupt nicht aus Freiburg. Das schockiert mich total.
RDL: Mitten in der Stadt begann ein Feuerspucker und gleich darauf begann Tumult. Auf Farbeier wurde mit Schlagstockeinsatz und Pfefferspray geantwortet. Einer von den Demonstrierenden musste ins Krankenhaus, viele hatten Pfefferspray abbekommen, auch ein Polizist selbst. Zumindest wird vermutet, dass der verletzte Beamte das eigene Pfefferspray abbekam. In der Pressemitteilung der Polizei war zu lesen, dass es auch Spiritus gewesen sein könne. In der Pressemitteilung der Polizei war dann auch zu lesen, dass die Demonstrierenden ein Fenster einer Straßenbahn eingeschmissen hätten. Die Verkehrsbetriebe haben dem jedoch widersprochen. Es habe zwar durch die Demonstration erhebliche Verzögerungen gegeben, es sei aber definitiv keien Scheibe zu Bruch gegangen.
Das sich die sonst vorhandende Deeskalationsstrategie der Polizei verändert hat, war auf der Demonstration klar zu sehen. Von beginn an wurden die TeilnehmerInnen der Demonstration umzingelt und die Demo lief so eingekesselt durch die Innenstadt. Das gab es in Freiburg seit Jahren nicht mehr! In der Innenstadt fing ein Teilnehmer an, Feuer zu spucken und es flogen Farbeier - beides wurde von der Polizei zum Anlass genommen, mit Pfefferspray und Knüppeln ’einzugreifen’. Ergebnis: ein Mensch musste ins Krankenhaus, einige hatten Pfefferspray abbekommen und ein Polizist war im Gesicht verletzt. In der Pressemitteilung der Polizei stand, es sei noch nicht klar, ob er Pfefferspray von seinen Kollegen oder Spiritus von Demonstrierenden abbekommen hatte. Aber eines sei klar: Demonstrierende haben mit Flaschen ein Fenster einer Straßenbahn eingeworfen. Nur: die betroffene Verkehrsgesellschaft VAG weiß nichts davon, dass ein Fenster einer ihrer Straßenbahnen kapputtgemacht wurde. Egal wie, eines steht fest: in Freiburg ist die Romantik vorbei. Den Linksalternativen Anstrich, den sich die Stadt so gern gibt, scheint sie durch die Repressionen und den eskalierenden Kurs gegenüber Demonstrierenden aufzugeben.
Das Interview als Audiomitschnitt:
Quellen: freie-radios.net (1 2) vom Mittwoch, 22. Dezember 2004
Weitere Infos gibt es in unserer Repressionsdokumentation.