Rüdiger Scholz
Germanist am Deutschen Seminar der Freiburger Universität 1968-2004
Eine Rede an die Studierenden
Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Gäste!
In der letzten Vorlesung über die Geschichte der sozialistischen Literatur will ich den Blick auf die Geschichte der sozialistischen Literaturwissenschaft am Deutschen Seminar der Universität Freiburg richten, erzählen von den Erfahrungen eines marxistischen Germanisten nach 72 Semestern Lehre hier in Freiburg. In meiner letzten Vorlesung im Amt möchte ich euch, den heutigen Studierenden, sagen, was wir seit den 60er Jahren verändern wollten, was wir gemacht haben und warum.
Meine Generation - diejenigen, die erst nach 1945 studierten und in den 50er, 60er und 70er Jahren ihre Berufslaufbahn begannen - meine Generation hatte die Chance und die Aufgabe, mit unseligen Traditionen deutscher Germanistik und deutscher Universität zu brechen und eine neue, bessere Literatur- und Sprachwissenschaft und eine demokratische Universität an deren Stelle zu setzen.
Da ich im folgenden ohne die üblichen Floskeln falscher Bescheidenheit über mich reden will, vorweg: Ich bin kein Germanist mit internationalem Renommee, ich gehöre keiner der vielen Akademien und Vereinigungen an, ich habe keinen der vielen Preise und Medaillen erhalten; ich bin kein Vordenker und kein Initiator von neuen Wissenschaftsrichtungen. Ich habe keinen Grund, besonders stolz auf mich zu sein, ich habe keine Karriere aufzuweisen, es nur zum Gehalt eines Oberstudienrats gebracht. Ich tauge nicht für euch als Vorbild eines Erfolgreichen und auch nicht für die Heroik eines Außenseiters. Ich bin nicht untergegangen, aber gemessen an meinen, eigentlich bescheidenen, Zielen habe ich überwiegend Niederlagen einstecken müssen.
Ich bin ein aktiv teilnehmender Germanist an einer Bewegung, die in den späten 60er und frühen 70er Jahren stark war und viel bewegt hat, dann immer schwächer wurde, nach 1989 fast ganz zum Erliegen kam und jetzt vielleicht wieder auflebt. Ich bin der letzte sozialistische Professor an der Freiburger Universität. Mit mir geht eine Epoche zu Ende, mit mir schließt die fünfunddreißigjährige Präsenz historisch dialektisch materialistischer Literaturwissenschaft, und fast mit mir - in einem Jahr - endet an der Freiburger Universität auch die psychoanalytische Literaturwissenschaft.
Meine Darstellung erfolgt selbstverständlich aus meiner persönlichen Sicht. Da ich meist in Gruppen gearbeitet habe, werde ich öfter "wir" sagen, in dreifacher Reichweite. "Wir" - das sind auf dem Höhepunkt in den 70er Jahren elf oppositionelle Neugermanisten, angestellt hier am Deutschen Seminar, mit einem beträchtlichen Umfeld in der Studentenschaft. "Wir" - das ist im größeren Maßstab die linke Oppositionsbewegung an westdeutschen Hochschulen seit 1965, und "wir" ist im noch weiteren Sinn die sich erneuernde sozialistische Gesellschaftskritik in der Bundesrepublik. Ich sage auch deswegen öfter "wir", weil ich fast immer in Gruppen gearbeitet habe.
Linker Germanist - das paßte nicht zur katholischen Vorzeigeuniversität des Südwestens, die immer noch nicht von der Amme der Religion entwöhnt ist und weiterhin saugt an ihrem kuriosen Relikt, daß die Katholische Kirche bis heute eine Professorenstelle in Philosophie mit einem Mann ihrer menschen- und vor allem frauenfeindlichen Ideologie und Praxis besetzen darf und in welcher der Rektor heute noch das Akademische Jahr feierlich mit einem Gottesdienst beginnt - linker Germanist, das sorgte für reichliche politische Reibungen und Streitereien, welche die wirkliche Struktur der nur scheinbar liberalen Professorenschaft, Verwaltung und Universitätsleitung, den Charakter der hier betriebenen Wissenschaft und die Art der Lehre bloßlegte. Bundesweit haben linke Germanisten tiefgreifende Veränderungen in den Literatur- und der Sprachwissenschaften bewirkt, ihnen ist es zu verdanken, daß man im Gesicht der bundesdeutschen und heute gesamtdeutschen Germanistik noch sympathische Züge wahrnehmen kann.
Meine, aber nicht nur meine Ausgangslage: Germanistik, Geschichte und Philosophie zwischen 1959 und 1966 zu studieren hieß, sich Wissenschaften anzueignen, die durch ihre scheinbare Entpolitisierung seit dem Kaiserreich gezeichnet waren. Die internationale Literaturwissenschaft reagierte auf die großen Krisen des 20. Jahrhunderts mit der verstärkten Trennung von Kultur und Politik, mit der "Geistesgeschichte" nach dem 1. Weltkrieg, und der "Werkimmanenz" als Reaktion auf den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg. Beide Konzepte verwiesen Literatur als "Dichtung" in einen Raum privater und überzeitlicher Existenz. Hatten die historisch philologische Methode und der Positivismus der über vier Jahrzehnte Kaiserreich den Nationalstaat als Wesenheit, faktisch die Bourgeoisie im Gewand spätabsolutistischer Untertänigkeit des 19. Jahrhunderts verklärt, so betrieben Geistesgeschichte und Werkimmanenz die Flucht vor der Realität - angesichts der Erschütterungen des bürgerlich humanen Weltbildes verständlich, aber fatal. Die Germanistik stand damit nicht allein: Philosophie, Geschichte, Soziologie bis hinein in die Wirtschafts- und die Rechtswissenschaften betrieben eine ähnliche Entpolitisierung und Ontologisierung.
Mein Ausgangspunkt als 20jähriger Ende der 50er Jahre und der vieler anderer bestand ganz unpolitisch in dem Ziel, mir die etablierten Wissenschaften anzueignen. Das war überwiegend ein Vorgang der Anpassung, schon deswegen, weil ich Zweifel hatte, ob ich mich angesichts der Ehrfurcht gebietenden Institution Universität und der in den Seminarbibliotheken versammelten Büchermassen behaupten kann. Das mangelnde Selbstvertrauen in meine geistigen Fähigkeiten ließen mich z. B. viel Zeit und Arbeit auf den damals groß in Mode stehenden philosophischen Existentialismus und auf Kants Philosophie verwenden, um mich zu prüfen, ob ich in diesem hoch gestochenen abstrakten Denken mithalten kann. Das erklärt individuell biographisch meinen jahrelangen Mangel an Kritik der Grundpositionen dieser Wissenschaften, trotz einer aufmüpfig kritischen Einstellung, die ich mir als Schüler erworben hatte. Meine Kritik, die mir im Studium auch Erfolge einbrachte, bezog sich nur auf Richtungen und Einzelheiten in diesen Wissenschaften. Mir fehlte der Blick für die politischen Dimensionen von Grundlagen meiner drei Wissenschaften Germanistik, Philosophie und Geschichte, es fehlte aber auch eine öffentliche Grundsatzkritik an den Gesellschaftswissenschaften in der deutschen Bundesrepublik, und auch international, an die ich hätte anknüpfen können.
Wie gewinnt man unter diesen Voraussetzungen eine grundsätzliche wissenschaftskritische Position? Über Anstöße von außen, die den Nerv der im persönlichen Umfeld erworbenen Einstellungen treffen. Die Grundlage bestand bei mir im Haß auf die erlittenen autoritären Verhaltensweisen, im Elternhaus, in der Schule, als Klassensprecher, als Schülerzeitungsredakteur, als Referendarsprecher. Obwohl in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen und obwohl ich weder Volksschule noch Gymnasium, die Universität schon gar nicht, als insgesamt negative Institutionen erlebt habe, waren Gängelung und Unterdrückung die vorrangigen Erfahrungen, die bei mir eine Aversion gegen das von keinen Selbstzweifeln erschütterbare, in - wie mir schien - unangreifbarer Selbstsicherheit sich im Privaten situierende Bildungs- und Besitzbürgertum auslösten, das sich liberal gebärdete, im Konfliktfall aber hart und brutal handelte. Die entscheidende Motivation für wissenschaftliche Grundsatzkritik stammte also nicht primär aus der Unzufriedenheit mit den Inhalten der Wissenschaften, sondern aus der Verbitterung über die Strukturen der eigenen Umgebung, die ich allmählich als gesamtgesellschaftliche Erscheinung begriff, in die Geschichte der deutschen Untertanenmentalität und des deutschen Faschismus einordnete und auf die Inhalte der Wissenschaften bezog.
Die Studentenbewegung schuf dann die ersehnte öffentliche Plattform, um die Wut produktiv werden zu lassen und für eine neue Wissenschaft, eine neue Universität und eine neue Gesellschaft zu kämpfen. Ich verdanke der Studentenbewegung unendlich viel: Sie war, anders als die Rockerbewegung in den 50er Jahren, der ich, obwohl damals selbst in der Pubertät, nichts abgewinnen konnte, keine bloße Explosion von Wut, sondern verband ihre öffentlichen Proteste mit einer Gesellschaftsanalyse, deren Schärfe in der deutschen Wissenschaftsgeschichte ein herausragendes Ereignis ist. Hier wurde in einer gesellschaftshistorischen Grundsätzlichkeit argumentiert, was in unseren Schülerzirkeln Thema gewesen war. Ich brauchte gar nicht erst zu überlegen und zu prüfen, ob der Aufruhr linker Studenten berechtigt war. Aus meiner Erfahrung und aus der eigenen Reflexion dieser Erfahrungen wußte ich sofort, daß sie weit über ihre aktuellen Angriffe hinaus Recht hatten. Als sich am Deutschen Seminar ein Kreis von linken jüngeren Hochschullehrern bildete, war dies eine große Chance für mich.
Unendlich viel verdanke ich auch der Frauenbewegung, die ihren Kampf aufnahm, als die Studentenbewegung ihren Niedergang erlebte und deren Kritik den entscheidenden Punkt der Geschichte des Sozialismus traf: den Geschlechterkampf. Der Kampf der Frauenbewegung ist auch ein Klassenkampf, und er kann nicht als Kommunistenschwärmerei abgetan werden. Die geradezu kindische und zugleich brutale Abwehr von Männern gegenüber Forderungen von Frauen nach gleichen Rechten, gleicher Bezahlung, gleichem Besitz, die bis heute andauert, hat Ingeborg Bachmanns These von 1971 vom Ursprung des Faschismus im Geschlechterkampf in beschämender Weise bestätigt. Obwohl sich Forderungen der Frauenbewegung auch gegen meine Privilegien richten, ist es ein Kampf um die Durchsetzung von Menschenrechten, und damit sind auch Männer aufgefordert, sich zu beteiligen. Ich habe keine Probleme damit, mich als radikalen Feministen zu bezeichnen.
Wegen meines Alters habe ich nicht als Student an der Studentenbewegung teilgenommen, sondern als Hochschullehreranfänger, noch nicht promoviert, noch nicht fest im Sattel. 1966 hatte ich die Universität verlassen und war bis 1968 im Saarland Referendar im höheren Schuldienst - eine geballte Erfahrung an übler Schülerunterdrückung durch Direktoren und Lehrer, primitiver Erniedrigung von uns Referendaren und unverschämter Ausbeutung durch das saarländische Kultusministerium, Behandlungen, die ich mir nicht gefallen ließ und die mich in einen Protest und Kampf mit unsicherem Ausgang stürzten. Ich erhielt im März 1968 hier in Freiburg eine der neu geschaffenen Akademischen Ratsstellen, das waren wie Studienräte bezahlte Hochschullehrer im Grundstudium.
Der Beruf als Germanist an der Universität wurde für anderthalb Jahrzehnte die Hauptplattform des Kampfes gegen die Wiederkehr einer faschistischen Diktatur und für den inhaltlichen Vollzug der Verfassung der Bundesrepublik. Die Konsequenzen für die Veränderung der Literaturwissenschaft und der Universität ergaben sich für uns aus zentralen Analysen und Urteilen der Studentenbewegung:
1. Der europäische Faschismus des 20. Jahrhunderts ist eine Reaktionsform auf Krisen des Kapitalismus, gehört also als Staats- und Gesellschaftsform zum Kapitalismus wie die parlamentarische Demokratie. Der Faschismus ist keine einmalige Entgleisung, sondern eine latente Gefahr aller kapitalistischen Volkswirtschaften, kann also in allen bürgerlich demokratischen Staaten wiederkehren - also auch in der BRD.
2. Die Bundesrepublik charakterisiert eine latent faschistoide Struktur ihrer Gesellschaft in allen Bereichen, auch in Familie, Betrieb, Behörde, Schule - und Hochschule, sie prägt auch den Geschlechterkampf.
3. Die vorgefundene Germanistik ist in zentralen Positionen, in Inhalten wie Formen der Vermittlung, undemokratisch, selbst da, wo ihre Professoren nicht - wie vielfach der Fall war - persönlich durch den Faschismus vorbelastet sind. Die Glorifizierung von westlicher Kultur überhaupt, der elitäre Kunst- und Geniebegriff tradieren immer noch eine Form von Weltanschauung, die im Faschismus ihren Höhepunkt fand und diesem diente. Der Stil der Lehre ist mit dem Ethos freier Wissenschaft unvereinbar.
4. Die scheinbare Entpolitisierung der deutschen - wie der internationalen - Interpretationswissenschaft ist die politische Dimension dieser Wissenschaft, und die politische Funktion dieser Kunstwissenschaft liegt in der Anerkennung und Unterstützung der bestehenden Verhältnisse, d. h. des imperialen Kapitalismus. Das ist - mit dem damaligen zentralen Begriff des Frankfurter Instituts für Sozialforschung - der affirmative Charakter der deutschen Germanistik.
Daraus folgt, die Germanistik zu einer gesellschaftskritischen Wissenschaft zu machen, zu einem Teil der kritisch politischen Instanz der Öffentlichkeit, und die Institutionen der Germanistik, Schule und Hochschule, zu demokratisieren.
Germanistik ist immer eine politische Wissenschaft gewesen, und es war eine kurze Illusion von mir, sie aus der politischen Praxis herauszuhalten. Unsere Konsequenz war die bewußte Einheit von beruflichem und gesamtpolitischem Handeln. Die Abwehr des Neofaschismus und die Verteidigung und Fortentwicklung der Demokratie mußte auch das zentrale Ziel der Neugestaltung der Germanistik und ihrer öffentlichen Institutionen sein. Die Politisierung der Universität und der deutschen Literaturwissenschaft ist aber auch durch die rechte Professorenschaft und die rechten Parteien forciert worden, deren Strategie zur Abwehr der angenommenen kommunistischen Unterwanderung durch die DDR auf eine Verwandlung der Demokratie in einen diktatorischen Zwangsstaat, eine neue Form von Faschismus, hinauslief. Diese Tendenz wurde seit Anfang der 70er Jahre so stark, daß ich über Exil nachdachte.
Motivation und Motor aller meiner Handlungen seit den 60er Jahren liegen in einem tiefgreifenden Bruch meiner Identität, der schon in der Schulzeit begann, sich in Schüben radikalisierte und in jahrelangen Diskussionen mit Gleichaltrigen die gesellschaftliche Begründung entwickelte - Diskussionen nicht zuletzt mit meiner Freundin. Die Übereinstimmung in allen wichtigen politischen Anschauungen hat sich als der tragfähigste Grund dieser Beziehung erwiesen, die jetzt schon viereinhalb Jahrzehnte besteht - ein lebenslanges, überlebensnotwendiges Gespräch. Der Bruch bestand darin, die weitgehende Übereinstimmung mit meiner sozialen und staatlichen Umgebung aufzugeben und in eine grundsätzliche Oppositionsrolle zu wechseln.
Das endgültige Schlüsselerlebnis war der Vietnam-Krieg. Um die Bedeutung für meine und unsere Einstellung zu unserer Gesellschaft zu verstehen, muß man wie frau sich klarmachen, daß die USA bei Kriegsende und bis in die 60er Jahre als vorbildliche Nation der Menschlichkeit und der funktionierenden humanen Demokratie erschienen, als Garant der bundesrepublikanischen Demokratie und der Unwiederholbarkeit des Faschismus. Der Vietnam-Krieg der USA mit seinem Napalm-Bombenterror von 1964 bis 1973, der chemischen Entlaubung durch das Nervengas Agent Orange, das auch viele US-Soldaten zu Krüppeln machte und vorzeitig sterben ließ, das Massaker an den 507 Dorfbewohnern des Dorfes My Lai am 16. März 1968, das erst 1969 der Weltöffentlichkeit bekannt wurde - alles das hat diesen Glauben gründlich zerstört. Der Vietnamkrieg war der moralische Zusammenbruch der USA, und mitbeteiligt an diesem Krieg waren ihre Verbündeten, auch die BRD; damit konnten wir uns nicht mehr raushalten. Günter Wallraff wies nach, daß hochrangige bundesdeutsche Funktionäre der Katholischen Kirche, sogenannte Würdenträger, nicht nur den Krieg der USA in Vietnam, sondern auch den Einsatz von Napalm-Brandbomben rechtfertigten und befürworteten. [1] Jetzt ging es nicht mehr allein um den Kampf gegen die aus dem Dritten Reich hineinragenden faschistischen Strukturen, sondern um die aktuelle Politik des westlichen globalen Kapitalismus, der sein unmenschliches Gesicht zeigte; es ging ganz konkret um die Regierungspolitik der BRD und um die sie stützende Publizistik. - Die Teilnahme an Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, gegen den asozialen Umgang mit Wohnungseigentum und gegen die Atomkraft wurde Teil meiner neuen Sozialisation, des Kampfes mit dem Mittel des öffentlichen Protestes.
Von Vietnam aus erschloß sich der Zusammenhang mit allem anderen: Der Kampf gegen die Atombewaffnung und gegen die Lagerung von Atomwaffen auf bundesdeutschem Boden. Die Analyse, daß Rechtskonservative der BRD nach den Notstandsgesetzen mit der Durchsetzung der Atomstromwirtschaft die Errichtung eines Polizeizwangsstaates verbinden. Der Kampf gegen die Politik des ökonomischen Ruins der ehemaligen Kolonien, deren Ausbeutung auch unsere Lebensgrundlagen bildet, gegen die ungeschminkte exorbitante Bereicherung der so schon Reichen, die das Grundgesetz der BRD zur Makulatur macht, die Einsicht, daß staatliches Handeln weitgehend am Gängelband multinationaler Konzerne verläuft und die SPD keine Kraft und keine Chance einer Änderung hat - das alles bedeutete das Ende der Hoffnungen, und die Erfahrungen waren nicht abstrakt, sondern konkret. Mit dem Radikalenerlaß der Willy-Brandt-SPD im Januar 1972 setzte eine neue Verfolgung von Kommunisten ein. In dem auch in Freiburg massiven Kampf gegen Häuserabriß wurde die Allianz von Besitz, Regierung, Polizei und bürgerlicher Presse in die Demonstrierenden eingeknüppelt. Das Polizeiheerlager vom Juni 1980 am Dreisameck in der mit Natostacheldraht abgesperrten Kaiser-Joseph- und der rechten Dreisamuferstraße wie in einem schweren Bürgerkrieg, eine Demonstration brutaler staatlicher Gewalt zum Schutz des asozialen Umgangs mit Wohnungseigentum, machte uns sinnlich erfahrbar, was wir längst wußten. Solche Erfahrungen lehrten, daß sich Formen faschistischer Herrschaft auch ohne Putsch im demokratischen Parteienstaat entwickeln.
In einer Kette von persönlichen und politischen Ereignissen brach der Grundpfeiler meiner bisherigen Identität weg, mein Optimismus, irgendwie würden sich demokratische Verkehrsformen überall durchsetzen. Ich habe geglaubt, mit dem Rückzug der Kolonialmächte aus den ehemaligen Kolonien nach dem Zweiten Weltkrieg ende auch der Kolonialismus, mußte aber erkennen, daß an die Stelle der Militärherrschaft der ökonomische Imperialismus trat - und daß auch ich dessen Nutznießer bin. - Aktive Hilfe in den armen Ländern ist eine Form, die Schuld abzuarbeiten, beseitigt aber nicht die Notwendigkeit, in den Industrieländern, am Sitz der Konzerne und Regierungen, gegen den ökonomischen Imperialismus zu kämpfen.
Die Last, die durch das Bewußtwerden solcher Tatsachen entstand, hat mich oft an Heines Verse aus den "Jungen Leiden" erinnert:
Anfangs wollt ich fast verzagen,
Und ich glaubt, ich trüg es nie.
Und ich hab es doch ertragen -
Aber fragt mich nur nicht, wie? [2]
Es hat ein wenig gedauert, aber als die beiden fundamentalen Ziele der Oppositionsbewegung: eine demokratische Gesellschaft und eine sozialistische Demokratie - Mitte der siebziger Jahre als gescheitert angesehen werden mußten, war mir klar, daß ich die Hoffnung auf die Durchsetzung einer auch nur halbwegs sozial gerechten Gesellschaft und auf einen nennenswerten Abbau autoritärer Strukturen zugunsten demokratischer Formen begraben mußte. Die Studentenbewegung hat offengelegt, daß es in der BRD kein "Proletariat" mehr gab, keine Arbeiterschaft, die eine politische Umgestaltung der sozialen Verhältnisse und ihrer staatlichen Formen anstrebt.
Was sich positiv entwickelte und Rückhalt bot, war der Aufstand von Bürgerinitiativen gegen staatliche Willkür. Die Revolte hat zur Restituierung einer bürgerlichen Linken geführt (an der ich teilhabe), deren Leistung darin liegt, den von mächtigen Teilen der bourgeoisen Unternehmerschaft beschrittenen Weg zu einer neuen Form von Diktatur öffentlich und damit z. T. auch zunichte gemacht zu haben. Diese kritische Rolle wurde von den Medien behindert, die bürgerliche Presse ließ sie nur kurze Zeit zu. Mit dem Zerfall der politisch aktiven Gruppen und dem Rückzug der neuen linken Intelligenz aus der öffentlichen Diskussion gerieten alle Linken in die Gefahr der Marginalisierung und Isolierung. Die meisten zogen die Konsequenz, gaben ihre politischen Positionen bis auf kleine Reste auf und integrierten sich in das bestehende Herrschaftssystem. Sie und die nächste Generation haben sich in der Idee der friedensökologischen Kindkulturfamilie eingerichtet, formulieren ihren Protest sanft - "Atomkraft" Nein danke! -, zünden Kerzen an, halten Händchen und richten auf der Baumscheibe vor der Haustür ein intaktes Biotop ein. Ihre Partei bricht zwar die Verfassung und verantwortet einen deutschen Angriffskrieg (in Jugoslawien), verteilt aber Blumen und Äpfel im Bundestag.
Ich wollte diesen Weg der Anpassung nicht gehen. Das Resultat ist die nicht mehr veränderbare Annahme einer Identität als Oppositioneller, d. h. lebenslanger Verlierer, wie ein Proletarier eben, ein Kampf auf verlorenem Posten, zu dem es aber keine akzeptable Alternative gibt, mit der Perspektive, als Don Quijote belächelt oder als Querulant ausgegrenzt zu werden. Positiv an dieser Identität ist, daß der Blick frei wird, Geschichte aus der Perspektive der Unterdrückten wahrzunehmen, was mir entscheidende neue Erkenntnisse eröffnet und eine innere Selbstsicherheit verschafft hat, nicht aber Gelassenheit.
Ein solcher Identitätsbruch geht tief. Man verliert die meisten seiner früheren Freunde, der Umgang mit Verwandten bewegt sich nur noch an der Oberfläche. Bürgerliche Feste und Feiern, besonders Ehrungen, werden unerträglich. Die Zeitungslektüre gestaltet sich zur täglichen Folter, nicht nur der Ereignisse wegen, sondern vor allem wegen der Art der Berichterstattung und der Kommentare. Man nimmt den latenten Haß des deutschen Bürgertums und des verbürgerlichten Proletariats auf alles Abweichende schärfer wahr. Schon die nur mäßige Veränderung meines Haarschnitts und meiner Kleidung machte einen zum Außenseiter, mit entsprechenden Alltagserfahrungen. Auf einer Forschungsreise nach Weimar z. B. wurden mir und meiner Frau 1975 in der Stadt Hof in Bayern Hotelzimmer verweigert. Gebrochen habe ich mit der klassisch-romantischen Musik, die mir - ausgebildet als Cellist mit dem Drum und Dran von Schulorchester, Studentenorchester und regelmäßigen Konzertbesuchen - besonders in der Pubertät sehr viel bedeutet hat, etwa in meinen Cello-Phantasien. Ab 1968 habe ich kein Konzert mehr besucht, weil mir die Verlogenheit des ethischen Anspruchs dieser Kultur unerträglich wurde; das war noch bevor mir die Rolle der deutschen Klassik und Romantik auf dem Weg zum Faschismus und die Praxis dieser Kultur im Nationalsozialismus genauer bekannt wurde.
Diese Einstellung hat mir aber auch zu der Erkenntnis verholfen, daß jede Literatur politisch parteilich ist, daß die Parteilichkeiten der veröffentlichten Literatur so breit gefächert sind wie das Spektrum der politischen Strömungen einer Gesellschaft und daß die seit der Klassik bis auf den heutigen Tag nahezu ungebrochen herrschende Meinung, genial künstlerische Werke besäßen von sich aus eine hohe Ethik, absolut falsch ist, eine angenehme Illusion, dazu da, brutales Handeln zu kaschieren und die Täter psychisch zu stabilisieren. Auch große Kunstwerke können eine moralisch entsetzliche Parteilichkeit haben - was ich dann in meiner Habilitationsschrift über Goethes Faust-Drama zu zeigen versucht habe und was seit Mitte der Siebziger Jahre mit erdrückenden Beweisen von der feministischen Literaturwissenschaft offengelegt wird.
Die Koordinierten Lehrveranstaltungen (KLv)
Zurück zum Jahr 1968 und der Euphorie des Aufbruchs in eine neue Berufswirklichkeit. Die Felder der Tätigkeit waren klar vorgezeichnet: Der Kampf um eine neue Germanistik verband sich mit der Kampf um Mitbestimmung von Studierenden und Mittelbau in der Universität und für eine neue Bildungspolitik. Ende 1970 traten wir in die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein und gründeten praktisch die Freiburger Hochschulgruppe neu. Das Engagement in Kampagnen, z. B. gegen den Numerus clausus, war groß. Das Ziel, Gewerkschaftsarbeit von der Basis aus zu betreiben, erwies sich aber sehr bald als unerreichbar. Es setzte sich auch in der GEW der Stil der Funktionärspolitik durch mit entsprechendem Konservatismus. Ich bin zwar immer noch Mitglied der GEW, aber seit Jahren nur noch gelegentlich aktiv.
Die konkreten beruflichen Ziele ergaben sich aus der bundesweiten Diskussion über eine neue Germanistik. Ein primärer politischer Ansatz bestand in dem Willen, uns alle Wissenschaften und Wissenschaftsrichtungen anzueignen, die vom Nationalsozialismus unterdrückt worden waren und auch in der Bundesrepublik bekämpft wurden. Das waren im wesentlichen zwei:
– Die marxistische Geschichtstheorie und Kapitalismusanalyse als Methode, die gesellschaftshistorische Entwicklung und Bedeutung der Literatur zu erforschen.
– Die Aneignung der Psychoanalyse als Theorie der Phantasie für literarische Phantasien, aber auch für die Erklärung von gesellschaftlichen Verhaltensmustern.
Dabei ging es auch um eine persönliche Änderung der Sympathien. Marxisten und Marxistinnen, Psychoanalytiker und Psychoanalytikerinnen waren im Nationalsozialismus verfolgt, eingekerkert und umgebracht worden, Grund genug für uns, uns mit ihrem Denken und ihrer Wissenschaft auseinanderzusetzen.
Aufgewachsen in einem Klima, das im Kommunismus das Teuflische und Verabscheuungswürdige schlechthin sah und das durch den Stalinismus indirekt Unterstützung fand, wandten wir bewußt und entschieden unsere Sympathien Sozialisten und Kommunisten zu. Wir mußten erst die Geschichte des Sowjetimperiums unter Stalin seit den 30er Jahren und die staatliche Entwicklung in den Ostblockstaaten auch nach 1953, dem Todesjahr Stalins, von der Geschichte des westeuropäischen Kommunismus seit 1848 trennen, um dessen Leistungen für die Analyse und Kritik unseres Gesellschaftssystems zu erkennen. Unser Marxismus zog eine scharfe Trennungslinie zu dem zur Doktrin erstarrten Marxismus-Leninismus der osteuropäischen sozialistischen Länder.
Das eigentlich Neue der Wissenschaft bestand in den Konsequenzen der Erkenntnis, daß es in den Gesellschaftswissenschaften, also auch in der Literaturwissenschaft, keine "objektive" Forschung und Geschichtsschreibung gibt, daß Wissenschaftlichkeit nur heißen kann, die Parteilichkeit offen zu diskutieren und daß Parteilichkeit nicht nur Erkenntnisse verhindert, sondern auch erschließt. Erst die Parteilichkeit des Bürgertums erschloß das Wesen der feudalen Gesellschaft, und erst der parteiliche Blick aus der Perspektive des Proletariats gab den Weg frei für die Erkenntnis der Struktur der bürgerlichen Gesellschaft. Das hieß in unserer Situation, aus einer antikapitalistischen parteilichen Position Wissenschaft zu betreiben.
Das betraf selbstverständlich auch die Formen des Wissenschaftsbetriebs. In der Praxis gravierend war die Umgestaltung der Lehre, die Neubestimmung unserer Rolle als Seminarleiter. Der studentische Kampf um die Demontage der überhöhten Professorenautorität war für mich eine Befreiung von der Rolle als allwissender Universitätslehrer. Es ist heute kaum noch nachvollziehbar, welche Bedeutung die Entmythisierung und Reduzierung des deutschen Professors auf das Normalmaß eines Berufs wie jeder andere für das Selbstbewußtsein der Studenten und Studentinnen bedeutet hat. Die von mir als Letztem am Deutschen Seminar bis heute praktizierten Maßnahmen zum Abbau der Professorendominanz und der Stärkung von euch, den Studierenden - kollektive Gestaltung des Seminarthemas und des Seminarprogramms, selbständige Gruppenarbeit, keine Noten auf qualifizierten Seminarzeugnissen, Diskussionsleitung auch durch Studierende, Duzen, Bewertung nicht nur individueller, sondern auch kollektiver Arbeit - dieser Stil hat die Rollen von euch und mir im Unterricht verändert. In dem gegenwärtigen Klima der Wiederauferstehung hierarchischer Strukturen werten indessen - so mein Eindruck - viele von euch die Möglichkeit selbstbestimmter Formen der Wissensaneignung eher als zusätzlichen, möglichst zu vermeidenden Streß denn als Befreiung und Chance - aber nicht alle denken so.
Die neue Wissenschaft und die neuen Lehrformen wurden auch in Freiburg im Zuge studentischer Proteste entwickelt. Die Sprengungen von Vorlesungen, Seminaren und Seminarkonferenzen 1969 durch Studierende, das selbstbewußte Abhalten von Lehrveranstaltungen durch Studenten in eigener Regie machten die Neugermanistik an der Freiburger Universität zum wichtigsten Zentrum der Auseinandersetzung um eine neue Wissenschaft, eine neue Selbstverwaltung und einen neuen Stil des Studierens und Lehrens.
Konfrontationen waren unvermeidlich, weil die Ordinarien - das sind Professoren der höchsten Gehaltsklasse - nicht daran dachten, ihre Macht zu teilen. Sie waren nicht zimperlich in der Wahl ihrer Mittel, um ihre Macht zu erhalten. Der Kampf fand nicht nur zwischen Studierenden und Professoren statt, sondern auch im Lehrkörper, in der Regel zwischen Mittelbau - das sind nicht habilitierte Lehrkräfte - und Professoren. Das schuf eine spannungsgeladene Atmosphäre im gesamten Kollegium des Deutschen Seminars. Anstatt diesen Kampf als politischen zu verstehen, nahmen viele Ordinarien ihn persönlich, reagierten beleidigt und empfanden sich als unschuldige Opfer. Wolfram Mauser, Ordinarius für Neuere deutsche Literaturgeschichte mit großen Verdiensten bei der Reform des Deutschen Seminars und der Universitätsbibliothek, hat sich noch in seiner Rede zu Carl Pietzckers 50. Geburtstag 1986 bitter beklagt über die Verletzungen, die Pietzcker ihm und anderen zugefügt habe. Da arbeitete Mauser bereits über zehn Jahre mit ihm im Arbeitskreis Literatur und Psychoanalyse zusammen.
Natürlich setzten Studierende und Mittelbau ihre Hoffnung auf Solidarität von einigen Professoren mit ihren Zielen - meist vergeblich. Eine große Enttäuschung war für mich das Verhalten von Gerhard Kaiser, den ich in der zweiten Hälfte meines Studiums 1963 in Saarbrücken kennenlernte als liberalen Hochschullehrer, der frischen Wind in die noch naziverstaubte Saarbrücker Germanistik brachte und dessen entschiedene antifaschistische Haltung wohltuend seine Wissenschaft prägte. Er beeindruckte mich auch dadurch, daß er mit großer Sorgfalt auf alle Beiträge einging, die von uns Studierenden kamen, eigene Wissenslücken offen zugab und auch sonst wenig Ordinarienhaftes hatte. Er ging 1966 nach Freiburg; durch ihn erhielt ich zwei Jahre später die Akademische Ratsstelle, die mir einen der freiesten und interessantesten Berufe öffnete. Er hat sich um mich bemüht, bei meiner Promotion 1970 das Fest im Kreis seiner Doktoranden in St. Valentin ausgerichtet. In Freiburg wurde er mit großen Hoffnungen auf Reformen von Wissenschaft und Universität begrüßt, die er enttäuscht hat. Als man ihn angriff, schlug er sich rasch und entschieden auf die Seite konservativer Ordinarien. Dabei vergaß die Notwendigkeit von Reformen, für die er zuvor eingetreten war, grenzte Demokratie jetzt auf den politischen Parlamentarismus ein und sprach gewählten Studentenvertretern das Recht auf politische Äußerungen ab, das er in seinen Lehrveranstaltungen für sich selbst in Anspruch nahm. Er vergaß auch, daß ihm als DDR-Flüchtling und somit Garant des Antikommunismus die bundesdeutschen politischen Verhältnisse den Weg seiner Karriere ebneten, daß er 1968 als Ordinarius eine Herrschaftsfunktion innehatte und diese auch vehement ausübte, selbst kräftig austeilte, von dem provozierten Rücktritt des Reformdekans Hans-Heinrich Eggebrecht 1969 über den Faschismus-Vorwurf gegenüber linken Studenten bis zur späten Verleumdung von Hans Peter Herrmann, und daß es daher Unrecht ist, wenn er sich in seiner Autobiographie aus dem Jahr 2000 noch überwiegend als Opfer darstellt. [3] Unsere wissenschaftlichen und hochschulpolitischen Wege trennten sich, und ich habe es bedauert, daß er nicht der Reformer von Saarbrücken blieb. Umgekehrt ist er wohl ebenso von mir enttäuscht worden und hat es als großen Fehlgriff angesehen, mir die Stelle verschafft zu haben. Verstanden haben wir uns immer in der Abwehr des Neoantisemitismus, aber diese Gemeinsamkeit war zu schmal. [4]
Eine Gruppe von politisch engagierten Studierenden und ein Teil der Lehrkräfte schlossen sich zu einem Kreis zusammen, der die Veränderung der Universitätsstrukturen und der Hochschulgermanistik systemisch betrieb. Der Hauptansatz war die Veränderung von Studium und Lehre am Deutschen Seminar. Für ein Jahrzehnt haben die fest Angestellten dieses Kreises bewußt ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen zugunsten der Entwicklung neuer Formen und Inhalte der Lehre hintangestellt. Die Ziele:
– Erforschen des dialektischen Verhältnisses zwischen Literatur und historischen Prozessen, wobei dem marxistischen und dem psychoanalytischen Ansatz besondere Bedeutung zukommt.
– Das forschende Lernen als didaktisches Grundprinzip, um gesellschaftliche Mechanismen der Anpassung zu durchbrechen und kritische Solidarität zu praktizieren.
– Die Orientierung des Studiums an der späteren Berufspraxis als Lehrer/in an höheren Schulen, da nahezu alle Studierenden Lehrer/innen werden.
– Abstimmung der Lehrveranstaltungen mit dem Ziel, einen neuen Studiengang zu entwickeln.
Die Entwicklung dieser Ziele und die Planung des konkreten Semesterprogramms erfolgte in einer Koordinationskonferenz, die abschnittweise wöchentlich tagte. Infolge dieser Konferenz kündigten wir unsere Lehrveranstaltungen in der neu geschaffenen Broschüre des Veranstaltungskommentars des Deutschen Seminars unter dem Namen "Koordinierte Lehrveranstaltungen" mit einem Vorspann an, zum erstenmal im Sommersemester 1971, vorsichtig mit 6 von 35 Lehrveranstaltungen insgesamt, im Wintersemester 1972/73 bereits mit 13 Lehrveranstaltungen, gut einem Drittel des Gesamtlehrangebots; dieser Anteil blieb konstant. Unter dem Kürzel "KLv" wurden die Koordinierten Lehrveranstaltungen sieben Jahre lang zu einem heiß umstrittenen Politikum und haben heute fast den Status eines Mythos. [5] Die Grundlage des Zusammenschlusses, marxistische - genauer: historisch materialistische - und psychoanalytische Wissenschaft waren für die Germanistik der BRD revolutionäre Wissenschaftsansätze - und sieht man sich den Verlauf und den heutigen Stand an, dann sind sie es noch.
Probleme für einen Studiengang der neuen Wissenschaft ergaben sich aus der Erarbeitung von theoretischen Grundlagen und der Integration der Gesellschaftsgeschichte in die Literaturwissenschaft. Daraus entwickelte sich das Konzept von Grundkurs und Schwerpunkten. Es wurde ein regelmäßiger zweisemestriger Grundkurs in marxistischer Gesellschafts- und Literaturtheorie eingerichtet, ebenso ein Grundkurs in psychoanalytischer Phantasietheorie, letzterer bis heute. Aus der gesellschaftshistorischen Analyse zogen wir den Schluß, Literatur vorrangig in den Umbruchepochen des Kapitalismus zu erforschen, in der Phase des endgültigen Durchbruchs im 18. Jahrhundert und am Übergang zum Monopolkapitalismus im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Zu beiden Epochen richteten wir Schwerpunkte ein, mit einem zentralen Seminar zu den historischen Grundlagen und literarischen Themenseminaren auf den Ebenen des Grund- und des Hauptstudiums. Wegen des Faschismus gab es einen weiteren Schwerpunkt Weimarer Republik. Dieses System des Schwerpunktes haben wir auch nach dem Ende der KLv beibehalten, solange es personell möglich war.
Die faschistische Geschichte der Germanistik und das Fehlen eines Neubeginns nach 1945 wurde längere Zeit Forschungsgegenstand in den Einführungskursen. Das schönste Dokument der KLv ist: Das Räuberbuch. Die Rolle der Literaturwissenschaft in der Ideologie des deutschen Bürgertums am Beispiel von Schillers "Die Räuber", entstanden Anfang der 70er Jahre in einem kleineren Kreis von Dozenten und Studierenden (leider ohne meine Beteiligung), erschienen 1974 im kommunistischen "Verlag Roter Stern", eine kollektive Studie ohne Angabe der Verfasser und Verfasserinnen, die satirische Darstellung der politischen Geschichte der Germanistik anhand der Interpretationen der Räuber in Zitaten, Kommentaren, historisch-ökonomischen Informationen, Exkursen und Illustrationen. [6]
Die KLv war Teil der bundesweiten Bewegung für eine neue Germanistik und hat, wie andere Gruppen und KollegInnen auch, das klassische Feld der Interpretation fiktionaler Literatur erweitert zur Publizistik, zum Film, zur sog. Trivialliteratur, zur Geschichte der Literaturtheorie, zur Reiseliteratur, zu Arbeiterliteratur und zur sozialistischen Literatur, zur Literaturrezeption und zum Deutschunterricht. Wir haben uns mit anderen, z. B. Wolfram Mauser, für die Einrichtung eines Instituts für Medienwissenschaften mit entsprechendem Studiengang eingesetzt; ich war in der Rektoratskommission zur Ausarbeitung eines Plans für ein Medienzentrum, den der Romanist Josef Fuckerieder, der Germanist Helmut Rössler und ich - alle drei Mittelbaulehrkräfte - ausgearbeitet haben. Konservative haben die Verwirklichung verhindert.
Zwei Erfahrungen möchte ich hervorheben. Der historisch materialistische Ansatz war das methodische Tor zur Erkenntnis der realpolitischen Rolle der Literatur in der Neuzeit auf der Grundlage eines Begriffs von Geschichte als Einheit aller in der bürgerlichen Wissenschaft getrennten Prozesse, von der Ökonomie über die sozialen Formen bis zur Kultur. Das hatte freilich zur Konsequenz ein riesiges, von einzelnen nicht zu leistendes Forschungsprogramm. Denn infolge der Fixierung der Geschichtswissenschaft auf Regierungs- und Verfassungsgeschichte klafften riesige Lücken in der sogenannten Wirtschafts- und Sozialgeschichte, also für uns der eigentlichen Geschichte, und die wenigen Studien hatten keinen brauchbaren systematischen Ansatz. [7] Zur Einschätzung, welchen sozioökonomischen Hintergrund die deutsche Literatur des Sturm und Drang, der Klassik und der Romantik hat, fehlten uns die Grundlagen. Die Folge war, daß wir mit einem unglaublichen Aufwand bis in Regional- und Lokalstudien hinein und in eigener Quellenforschung uns ein systematisches Bild der sozialökonomischen Geschichte Deutschlands und Europas im 18. Jahrhundert erarbeiteten. [8]
Die zweite Erfahrung betrifft die Konsequenzen der Psychoanalyse. Wer die Verunsicherung der eigenen Person auf sich nimmt und nicht vorzeitig abbricht, wird mit Erkenntnissen höchst ambivalenter Art belohnt und bestraft. Die Aufschlüsse über Herkunft und Funktionen literarischer Phantasien erlauben Einsichten ins Innere der bürgerlichen Kultur, gegen das Fausts Gang zu den Müttern ein Sonntagsspaziergang ist. Der Beitrag der psychoanalytischen Sozialpsychologie zur Erklärung der Entstehungsgeschichte des deutschen Faschismus und Antisemitismus ist einzigartig, die Analyse des bürgerlichen Subjekts der Neuzeit durch die nachfreudianische Narzißmus- und Schizophrenieforschung hat in glänzender wie bedrückender Weise dessen Instabilität offengelegt.
Der Kreis war nicht festgelegt und kein Verein. Es gab die seminaröffentliche große KLv-Versammlung, zu der alle Interessierten kamen, wir gaben eine eigene Schriftenreihe mit Unterrichtsmaterialien heraus. [9] Die Umgestaltung des Studiums bedeutete für interessierte Studierende die aktive Beteiligung an der Festlegung der Themen, an der Vorbereitung in den Semesterferien und der Durchführung der Seminare, an der Entwicklung der Lehr- und Lernformen, der Festlegung der Anforderungen für den Seminarschein. Vorlesungen wurden wegen ihrer Einbahnstraße bloß rezeptiven Lernens nicht gehalten.
Es ist heute fast nicht mehr nachvollziehbar, welche Energie-Explosion von studentischem Engagement diese Struktur freigesetzt hat. Aufgeteilt in Plenum und Gruppen, wurden die Seminare, auch für uns Lehrende, vierstündig, Feiertage wurden ignoriert, bei zusätzlichen Wochenenden in Schwarzwaldhütten habe ich euphorische Szenen studentischer Selbstbefreiung durch den neuen Stil wissenschaftlichen Arbeitens erlebt.
Zur Überprüfung und Entwicklung unseres Lehrstils hielten wir Seminare zu zweit ab. Studentische Interessen waren keineswegs immer auch die von uns Lehrkräften. So haben Hanno König und ich uns nur auf studentischen Wunsch hin auf ein zweisemestriges Seminar über existentialistische Literatur eingelassen, und ich hätte mich ohne das Verlangen von Studierenden wohl nicht so intensiv mit Klaus Mann auseinandergesetzt, was ich aber keineswegs bereut habe. Durch das studentische Engagement kam es zu einer Lesung von Klaus Mann-Texten im Wallgrabentheater durch Heinz Meiers Schauspieltruppe, und das Seminar trug mir die Bekanntschaft des in Freiburg lebenden amerikanischen Komponisten und Literaturwissenschaftlers Fredric Kroll ein, der an einer mehrbändigen Klaus Mann-Biographie arbeitete und der dann einen Lehrauftrag erhielt.
In der Einsicht, daß die Umgestaltung der Hochschulausbildung ohne Veränderung des Deutschunterrichts in den Schulen nur eine halbe Sache ist, entwarfen wir, nach einem Konzept von Rainer Noltenius, ein Versuchsprojekt zu einer Lehrerausbildung, die Unterricht von den Interessen der Schülerinnen und Schüler her entwickelt. [10] Das große Projekt, von der Stiftung Volkswagenwerk mit 200.000 DM finanziert, umfaßte zwei durch Videoaufnahmen dokumentierte Schulversuche in zwei Klassen im zeitlichen Abstand von einem Jahr mit zwei Deutschlehrern.
Die Erfahrungen, die wir dabei machten, habe ich als äußert erkenntnisreich empfunden. Das sich über mehrere Jahre erstreckende Projekt ist für mich ein eindrucksvolles Ereignis kollektiven Arbeitens ohne Hierarchien gewesen: die Gleichrangigkeit in der Zusammenarbeit von HochschullehrerInnen, StudienrätInnen, der Psychologin, dem Kameramann, studentischen TutorInnen erstreckte sich auch auf die Schüler, die dann auch gesagt haben, unsere Art, sie ernst zu nehmen, sei das positivste für sie gewesen. Als Glücksfall erwies sich, daß mit Gisela Schoenthal, die so früh schon gestorben ist, eine Sprachwissenschaftlerin mitmachte, die nicht zum Kreis der KLv gehörte, unseren bisher auf die neuere deutsche Literaturwissenschaft beschränkten Kreis erweiterte und durch ihre sicheren Urteile unverzichtbar war.
Praktische Konsequenzen dieser Erkenntnisse für die Schule aber erwiesen sich als fast unmöglich, weil entscheidende institutionelle Formen wie Lehrplan, Stundentafel, Klassenarbeiten, Notengebung, Sitzenbleiben hätten verändert werden müssen, was, zumal im konservativen Baden-Württemberg, über eine Versuchsphase hinaus, welche die Schule, das Freiburger Rotteckgymnasium, so schon belastete, nicht ging und in der gesamten Bundesrepublik nur an ganz wenigen Versuchsschulen als Ausnahmen gelang, von denen die Bielefelder Laborschule die bekannteste ist. Der Aufbruch zur wirklichen Veränderung der Schulen sackte Anfang der 80er Jahre in sich zusammen; er scheiterte am Widerstand der Konservativen. Nicht einmal das dreigliedrige Schulsystem wurde abgeschafft. Die wenigen Gesamtschulen in Baden-Württemberg wurden permanent durch das Kultusministerium behindert, um ihr Scheitern zu provozieren. Selektion geht heute noch wie eh und je vor Förderung.
Eine Konsequenz dieses Projekts für meinen Hochschulunterricht war die Erkenntnis, daß es für ein literaturwissenschaftliches Studium unerläßlich ist, sich einmal in die Situation von Schriftsteller/n/innen zu begeben. Auch nach Abschluß des Projekts habe ich deswegen noch mehrere Seminare mit praktischen Literaturphantasien und der Auswertung dieser Erfahrung gehalten. [11]
Die Gruppe, von den Zeitstellen her schon in permanenter Veränderung, [12] löste sich Ende der 70er Jahre von innen her auf. Die Ursachen liegen in gesamtgesellschaftlichen, internationalen Entwicklungen, die seit Jahren kontrovers diskutiert werden und auf die ich hier nicht eingehen kann. Die unmittelbar praktische Ursache für das Ende lag im Schwinden des studentischen Engagements. Die neue Studentengeneration verlagerte ihre politischen Aktivitäten von der Hochschule weg in die Bürgerinitiativen und deren Kampf, eine Entwicklung, die auch uns Lehrende betraf, und entzog damit der Gruppe den Boden. Hinzu kam, daß durch die Akademikerarbeitslosigkeit die Berufsperspektiven sich änderten und damit der Stellenwert des Studiums und die Bedeutung der Universität.
Aber auch der Zerfall bei den Lehrenden war nicht aufzuhalten. Obwohl unsere Wissenschaftsauffassung alle Gesellschaftswissenschaften betraf, blieb der Ansatz der KLv in Freiburg auf die Neuere deutsche Literaturwissenschaft begrenzt. Unterstützung fanden wir bei Historikern; Die Kurse in marxistischer Geschichtstheorie von Dr. Michael Berger, Akad. Oberrat, waren eine große Unterstützung, ebenso Professor Bernd Martins Kampf um die Erforschung der faschistischen Vergangenheit der Freiburger Universität und sein Eintreten für die Öffnung des Universitätsarchivs. Mit der Philosophieprofessorin Ute Guzzoni, ihrem Kollegen Jan Holl und der erst in den 70er Jahren hinzukommenden Akademischen Rätin Dr. Gisela Schoenthal, die feministische Sprachwissenschaft betrieb, waren hochschulpolitische Aktionen möglich. Für die Psychoanalyse erwies sich die Berufung von Johannes Cremerius auf den Lehrstuhl für medizinische Psychologie als Glücksfall. Die Arbeitstagung für Literatur und Psychoanalyse hat Freiburg zu einem Zentrum psychoanalytischer Literaturwissenschaft gemacht.
Dennoch war der Kreis in Freiburg zu klein. Resignation aus der Einsicht, zu wenig erreichen zu können, lähmte das Engagement. Die KLv sind im Wintersemester 1977/78, im vierzehnten Semester ihres Bestehens, zum letzten Mal als eigene Abteilung im Veranstaltungskommentar vertreten, eindrucksvoll, wie ich finde, mit zwei Schwerpunkten, zur Literatur des Kaiserreichs und zur Lehrerbildung, und mit insgesamt 19 Seminaren von 50 Lehrveranstaltungen insgesamt, also 38%.
Die KLv reduzierte sich auf einen Kern. Aber auch diese Gruppe brach auseinander, erst schleichend, dann heftig. Carl Pietzcker schwor im Sommer 1993 in einem Freiburger Vortrag dem Marxismus öffentlich ab, diffamierte ihn als infantil narzißtische, illusionäre Wunschphantasie, griff deren "katastrophale Strukturen" an und bezeichnete ein Festhalten am Marxismus als Wahl für den "Weg fundamentalistischer Regression". [13] 1994 beendete er die Zusammenarbeit mit mir und Hans Peter Herrmann offiziell. Seine wissenschaftliche Autobiographie in den Freiburger Universitätsblättern 2003 erwähnt seine aktive Beteiligung in der KLv mit keinem Wort. [14] Die Akademischen Oberräte Dr. Peter Wirth und Dr. Hanno König resignierten und stellten ihr hochschulpolitisches und öffentliches Engagement ein. [15] Carl Pietzckers Wende kann ich begreifen, seine Art der Diffamierung der eigenen Vergangenheit und deren Tilgung kaum. Wirths und Königs Rückzug ins Private ist verständlich, da aber Linke rar gesät sind, war dies ein großer Verlust. Resignation prägte und prägt auch mein Bewußtsein und mein Handeln, und viele eigentlich notwendige Aktivitäten habe ich unterlassen. Ganz aufgegeben aber habe ich nicht.
Tja, Hans Peter Herrmann, wir beide harren noch aus, als standhafte Zinnsoldaten im Befreiungskriege der Menschheit, wir wehren uns weiter, und ohne Menschen wie uns wäre unsere Gesellschaft noch unlebbarer, und daß viele Alt- und Strukturkonservative über uns genau das Gegenteil denken, ist mir die Bestätigung, daß wir richtig handeln.
Das Ende der KLv, das Ende der Studentenbewegung und der außerparlamentarischen Opposition war kein vollständiges Scheitern. Die Politisierung eines Teils der Bevölkerung dauert an und hat sich eher noch verstärkt. In den Bürgerinitiativen entwickelte sich eine Opposition der Wachsamkeit, deren positive Folgen bis heute spürbar sind. Sozialistische Literaturwissenschaft ist in der Publizistik weiter präsent, und auch unter Freiburger Studierenden finden sich Interessierte. Mit Hans Peter Herrmann hat ein Mitglied unseres Kreises die Geschichte des Freiburger Deutschen Seminars in Faschismus mit vorbildlichen Quellerecherchen und Urteilen geschrieben. [16] Ich habe mehrere Studentenjahrgänge erlebt, die sich fast moralische Vorhaltungen machten über ihre geringeren Aktivitäten im Vergleich zu den "68ern". Das ist nicht gerecht. Studentische Streiks und auch SchulerInnen-Streiks in den 80er und 90er Jahren waren kurz, aber hart und bestens organisiert. Der studentische Protest gegen den ersten Golfkrieg 1991 war heftig und wirksam. Lehrveranstaltungen wurden unterbrochen und verändert, auf studentischen Vorschlag hin habe ich im Sommersemester 1991 ein Seminar über Literatur, Krieg und Medien gehalten. Die gegenwärtigen Streiks gegen den Abbau der Universitäten zeigen, daß es nur auf die Situation ankommt, um große Energien an Protest freizusetzen. Umgekehrt ist es ein Mythos, von einer großen Politisierung der Studentenschaft Ende der 60er Jahre auszugehen; gemessen an der Gesamtzahl der Studierenden war die Beteiligung begrenzt und eher klein. Etwas anderes ist es, daß es in einigen Kreisen der 55-60 Jährigen schick geworden ist, sich eine linke Biographie von 1968 anzudichten.
Von den Schwerpunkten meiner Publikationen und Vorträge bedarf das Thema Goethe einer besonderen Begründung. Die Korrektur des Goethe-Bildes hat mit dem deutschen Faschismus zu tun. Der Humanismus der deutschen Klassik, der so tief im Bildungsbürgertum verankert schien, hatte nicht den geringsten Schutz vor dem Faschismus geboten. Eine Möglichkeit war, diese Literatur und ihre hoch ideologisierte wissenschaftliche Interpretationsliteratur einfach zu übergehen, auf dem Hintergrund, daß das Bildungsbürgertum, das in der deutschen Klassik ihre Identität sah, zusehends an gesellschaftlicher Bedeutung verlor. Ich habe ernsthaft erwogen, dies zu tun, und mich publizistisch ganz auf die von der Literaturgeschichtsschreibung unbeachtete Arbeiterliteratur, die Exilliteratur und die vergessene Frauenliteratur zu konzentrieren.
Das erwies sich als unmöglich, weil in der bundesdeutschen Germanistik sich ein Neokonservatismus breit machte, der die Wiederauferstehung Goethes als Leitfigur mit Macht betrieb. Man konnte die herrschende Germanistik nicht abseits liegen lassen, weil man eher selbst ins Abseits geriet. Der Angriff auf ihre Positionen war wissenschaftspolitisch notwendig. Auslöser für mein Engagement war die Lektüre der aktuellen Faust-Interpretationsliteratur, deren krude Ideologie mit fast die Sprache verschlug. Mein Faust-Buch, eine historisch materialistische und psychoanalytische Literaturanalyse, wertet Goethes Hauptwerk als glänzende Rechtfertigung des über Leichen gehenden Bourgeois, als wirksamste Unternehmerideologie, als die das Werk in seiner Rezeptionsgeschichte auch verstanden worden ist. [17] Es ist heute gesichert, daß der kompensatorische Charakter der Humanität der Klassik für das Bürgertum die Ursache für die Wirkungslosigkeit gegen den Faschismus war und daß eine demokratische Gesellschaft die politische Rolle der Klassik und ihrer Rezeption erforschen muß.
Bei der Aufarbeitung der Goethe-Literatur las ich die psychoanalytische Goethe-Studie des Wiener Psychoanalytikers Kurt Robert Eissler, der 1938 vor den Nationalsozialisten nach New York floh. [18] Eissler, Jude, fragte sich, wie viele andere auch, wie bei dieser massenhaften Verbreitung der Literatur der Klassik und der so intensiven Wirkung Deutschland so widerstandslos in eine faschistische Diktatur entgleiten konnte. Daraus entwickelte sich eine psychoanalytische Biographie Goethes, deren Ziel es war, die Entstehungsgeschichte von Goethes Literatur bis zur Klassik zu begreifen. Eissler zeigt Goethe als einen vom psychischen Geschwisterinzest belasteten, von Psychose bedrohten Schriftsteller, dessen Literatur die Funktion hat, diese Bedrohungen abzuwehren, aber eine partielle Psychose nicht verhindern kann. Dieses Buch entmythisierte das Goethe-Bild und zeigte die Zunahme narzißtischer Merkmale der neuen Literatur des Sturm und Drang. [19] In der deutschen Übersetzung, erschienen bei Stroemfeld-Roter Stern, wurde Eisslers Werk ein großer Erfolg. Rudolph Augstein selbst schrieb im Spiegel eine Rezension, es gab mehrere Auflagen, auch als Taschenbuch beim Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv). Das hat die konservative Goethe-Idealisierung in einem zu großen Teil der germanistischen Professorenschaft und der Öffentlichkeit nicht erschüttern können.
Mit der Veröffentlichung von Eisslers Werk wollte ich es bewenden lassen, was aber nicht ging. Die Folgen meiner dann in den 90er Jahren in zweiter Auflage erschienenen Faust-Bücher haben zu einem permanenten Kampf um die öffentliche Korrektur des Goethe-Bildes geführt. Unterstützung fand ich in der Wissenschaftlerin und Schriftstellerin Sigrid Damm und in dem amerikanischen Germanisten W. Daniel Wilson, der einen Teil der bisher kaum beachteten 15.000 Akten Goethes amtlicher Tätigkeit auswertete und nachwies, daß Goethe aus freien Stücken ein Hauptakteur bei der Verteidigung absolutistischer Herrschaft mit krassen Mitteln der Verletzung von Menschenrechten gewesen und daß der biographischen Goethe- und Weimar-Forschung Geschichtsfälschung vorzuwerfen ist. Die unsachliche Argumentation gegen Wilsons Resultate, vor allem auch die Verteidigung von Goethes Votum für die Hinrichtung der Johanna Höhn als angeblich humanen Akt, zeigt, wie notwendig dieser Kampf um das Goethe-Bild noch ist. [20]
Kürzlich lehnten die HerausgeberInnen des Goethe-Jahrbuchs es ab, am Ende einer Richtigstellung zum Fall Höhn meine Forderung nach Umbenennung des Goethe-Instituts, der repräsentativen deutschen Kulturinstitution der deutschen Bundesregierung, abzudrucken. Daher wiederhole ich hier: Wegen des jetzt erwiesenen Ausmaßes an Menschenrechtsverletzungen des Ministers und Beraters Goethe schlage ich vor und fordere, das Goethe-Institut, die staatliche Kulturinstitution des Auswärtigen Amtes, umzubenennen. Wenn schon ein deutscher Dichter oder eine deutsche Dichterin, dann sind Gotthold Ephraim Lessing, Heinrich Heine, Georg Büchner, Louise Aston, Louise Otto-Peters oder Else Lasker-Schüler geeignetere DemokratInnen.
Über den üblichen Ärger hinaus ist mein Berufsleben belastet worden durch die rigiden autoritären Strukturen der Rektorats und der Selbstverwaltung, durch die Politik der Regierungen von Baden-Württemberg, die Rechtsbrüche von Funktionsträgern und deren Unterstützung durch die bürgerliche Presse. Professoren und Universitätsleitung, Landesregierung und Polizei verletzten im Konfliktfall bedenkenlos geltendes Recht und beschädigten damit die Verfassung, die sie zu verteidigen vorgaben. Dabei habe ich, wie andere auch, die Erfahrung machen müssen, daß die bürgerliche Presse ihre kritische Wächterinnenfunktion nicht wahrnimmt, sondern die Rechtsbrüche verteidigt. Daß dies keine Besonderheit Freiburger oder baden-württembergischer Verhältnisse ist, macht die Sache nicht besser.
Die Berufungspraxis erwies, daß der viel beschworene liberale Methodenpluralismus nur Schein war. Ging es um Linke, rasteten bei konservativen und auch bei liberalen Professoren die fairen Verhaltensweisen aus, womit sie jene Fairneß und Rechtsstaatlichkeit verletzten, die sie gegen die Linken immer und überall so heftig beschworen.
Möglich wurde das durch die Zusammensetzung des Entscheidungsorgans, des Fakultätsrates bzw. des Gemeinsamen Ausschusses der Philosophischen Fakultäten. Durch das Universitätsgesetz wurde gesichert, daß die dort gewählten VertreterInnen von Mittelbau und Studentenschaft immer verloren, wenn nur das Gros der Professoren zusammenhielt. Die Niederlage der in der Studentenbewegung führenden Studentenschaft und der Assistenten und Akademischen Räte wird darin sichtbar.
Von den Herrschenden bekämpfte Wissenschaftsrichtungen wurden über die Berufungspraxis ferngehalten. In Freiburg - wie an fast allen bundesdeutschen Universitäten - ist nicht ein einziger Wissenschaftler und nicht eine einzige Wissenschaftlerin mit einem positiven Bezug zu historisch dialektisch materialistischer Wissenschaft berufen worden, in den Gesellschaftswissenschaften auch kein einziger Vertreter psychoanalytischer Geschichts- und Literaturtheorie; die Berufung des Mediziners und Psychoanalytikers Johannes Cremerius war eine Ausnahme. Daß ich als Mittelbauvertreter in der Berufungskommission kein Stimmrecht hatte, hat z. B. verhindert, daß eine psychoanalytische Literaturwissenschaftlerin auf Platz eins einer Berufungsliste kam.
Eigentlich sollen unter den Bewerbern und Bewerberinnen die fähigsten ausgewählt werden. In Freiburg war in vielen Fällen die politische Gesinnung vorrangig. Der Universität wurde von der CDU der Politikwissenschaftler Ludger Kühnhardt aufgezwungen, und die Professorenmehrheit spielte mit. Mit dem Staatsrechtler Dietrich Murswick wurde ein Mann berufen, in dessen Schriften sich rechtsradikale Ansichten fanden; unser Protest hatte keinen Erfolg. Bei der vertretungsweisen Besetzung einer Mittelbaustelle für kurze Zeit in Neuerer deutscher Literaturgeschichte wurden Ende der 70er Jahre die beiden höchst qualifizierten Bewerber nicht berücksichtigt, weil sie in der Studentenbewegung aktiv gewesen waren. [21] Diese Entscheidung war eigentlich mit dem Beamteneid, der zu einer fairen Auswahl nach der wissenschaftlichen Qualifikation verpflichtet, nicht vereinbar. Mir war das zuviel Unrecht. Obwohl nicht Mitglied des Fakultätsrats, bat ich die vier hauptverantwortlichen Professoren: Gerhard Kaiser und Wolfram Mauser, beide Neuere deutsche Literaturgeschichte, Paul Goetsch und Willi Erzgräber, beide Anglisten, um ein Gespräch und hielt ihnen ihr unakzeptables Verhalten vor. Das war kurz vor Einreichen meiner Habilitationsschrift, deren Annahme u. a. von diesen Professoren abhing. Erzgräber drohte mir denn auch nur wenig verblümt, er werde eventuell in meine Habilitationskommission gehen... der Rest blieb unausgesprochen. [22] Ich konnte mir meinen Protest bei den vier Professoren nur erlauben, weil ich als Lebenszeitbeamter eine sichere Position hatte; selbst wenn meine Habilitation gescheitert wäre, hätte ich weiter Akademischer Oberrat bleiben können.
Bei der Wiederbesetzung einer C 4-Stelle Anfang der 90er Jahre wurde die von der Berufungskommission beschlossene Liste mit einer als links geltenden Hamburger Bewerberin an erster Stelle gekippt, indem unser Kollege Jochen Schmidt die von ihm selbst aufgestellten und beschworenen Regeln der Fairneß verletzte und das Ansehen des Dekans und Sprechers des Gemeinsamen Ausschusses, Carl Pietzcker, mit dem Vorwurf unkorrekter Leitung der Berufungskommission universitätsöffentlich demontierte.
Die Liste von Unregelmäßigkeiten bei Berufungen und Stellenbesetzungen ist sehr lang. Um den als links eingestuften Tübinger Volkskundler Hermann Bausinger Anfang der 70er Jahre von Platz eins einer Berufungsliste fernzuhalten, wurde argumentiert, eine Berufung innerhalb Baden-Württembergs würde das Wissenschaftsministerium nicht dulden. Als bald darauf der Stuttgarter christlich katholische und CDU-nahe Philosoph Robert Spaemann berufen werden sollte, galt dieses Argument plötzlich nicht mehr.
Daß es überhaupt in Freiburg marxistische und psychoanalytische Literaturwissenschaft gab, lag an der wissenschaftlichen Entwicklung von Dozenten und Dozentinnen, die schon eine Stelle hatten. Es wurde daher versucht, die den Rechten unliebsamen Wissenschaften auszugrenzen. Die Freiburger Fachtagung Literatur und Psychoanalyse wurde mit unannehmbaren Konditionen für die Überlassung eines Hörsaals aus der Universität gedrängt. Sie tagt seit Jahren im Freiburger Bürgerhaus am Seepark, eine symbolische Vertreibung aus der Universität. Der MRI, der Marxistisch-Reichistischen Initiative, einer politisch wissenschaftlichen Gruppe von Studierenden, die Marxismus mit Psychoanalyse verbinden will, wurden von der Universitätsleitung Räume für ihre Kurse und Vorträge verweigert. Ich habe gegen beides protestiert, im letzteren Fall mit einem universitätsweit verbreiteten Flugblatt.
Es war nicht ungefährlich, gegen autoritäre Strukturen zu protestieren, denn dabei ging es nicht ohne Regelverletzungen ab. Studenten wurden zu Strafen verurteilt. Der einwöchige Streik des Mittelbaus der Philosophischen Fakultäten gegen die Bildungspolitik der Landesregierung im Januar 1971, dem wohl einzigen Streik von Lehrpersonal in der Geschichte der Freiburger Universität überhaupt, der auch durch meine Aktivität und Organisation zustande kam, hatte zur Folge, daß die Landesregierung verlangte, mich wegen Rädelsführerschaft disziplinarisch zu belangen. Da die Zeiten aber so schon turbulent genug waren, hat das Rektorat das abgebogen, wie mir der Prodekan Felix Eckstein berichtete.
Wir wurden überwacht, jede Unterschrift unter einen Aufruf, ein Flugblatt, wurde registriert und führte mit Sicherheit zu einer Akte beim Verfassungsschutz. Bundesweit wurden an den Professoren Jens Scheer, Atompysiker in Bremen, und Peter Brückner, Psychologieprofessor in Hannover, mit ihrer Suspendierung vom Dienst Exempel statuiert, die uns Angst machen sollten und es auch taten. [23] In beiden Fällen unterlagen die Landesregierungen allerdings vor Gericht, alle Bezüge mußten nachgezahlt werden. Bei Brückner hatte die Suspendierung aber zur Folge, daß er, bedingt durch eine Herzkrankheit, auf seinen Lehrstuhl nicht mehr zurückkehrte. Eingeladen von Studenten, sehe ich ihn noch auf dem Vorplatz des KG III zur Löwenstraße hin stehen und einen Vortrag halten, denn er durfte die Universität nicht betreten, weil er für die Freiheit der Meinungsäußerung eingetreten war.
Wegen Duzens der Studierenden sollte mir die Prüfungserlaubnis für Staatsexamina entzogen werden - Teil einer Kampagne, mit der linken Professoren in Baden-Württemberg die Prüfungserlaubnis entzogen wurde. [24] Ich behielt die Prüfungserlaubnis gegen das Versprechen, Prüflinge in der mündlichen Examensprüfung zu siezen.
Die Politik der Landesregierung
Das Positivste, was ich von den vielen Landesregierungen erlebt habe, war die anstandslos höhere Bezahlung des jüdischen Schriftstellers Edgar Hilsenrath, eines vom KZ-ähnlichen rumänischen Getto Gezeichneten, der im Rahmen eines meiner Seminare zu einer Lesung mit Diskussion eingeladen wurde. Hier funktionierte die Solidarität.
Sonst aber gibt es kaum Positives zu berichten. Die Finanzpolitik unter kapitalistischen Bedingungen ist für eine kontinuierliche Arbeit an den Universitäten schlimm bis katastrophal. Das Deutsche Seminar hat z. B. niemals einen ordentlichen Sachetat erhalten, der den Bedarf für den notwendigen Kauf von Büchern deckt. Nur über Gelder aus Rufabwehrverhandlungen und Berufungszusagen, später durch jedes Jahr unsichere Sondergelder, Finanzmittel aus dem sogenannten "Überlastprogramm" (wir bilden mehr Studierende aus, als Kapazität vorhanden ist), haben wird den hohen Standard unserer Bibliothek halten können.
Die Politik der Hilfskraft- und Tutorenmittel war ein Fiasko. Studentische Hilfskräfte sind das Schmieröl für den Motor des Deutschen Seminars, sie bewältigen im Geschäftszimmer den größten Teils des Publikumsverkehrs, und ihre Studien- und Prüfungsberatung dort ist unverzichtbar; ohne ihre Hilfe funktioniert die Seminarbibliothek nicht. Obwohl TutorInnen, also StudentInnen im Hauptstudium, die gegen geringe Bezahlung jüngeren Studierenden bei ihrem Studium helfen und dabei selbst viel lernen, einer der besten und billigsten Wege ist, der Isolation des Studierens in Massenfächern entgegenzuwirken und dies auch anerkannt ist, unterlagen Tutorenprogramme stets als erstes den Schwankungen der Steuereinnahmen. Mit der Kürzung von Hilfskraft- und TutorInnengeldern werden die Studierenden ohne Hilfen gelassen und verbrauchen im Massenbetrieb viel zu viel Energie, um sich zurechtzufinden. Die Lehrenden sind überlastet und werden ohne Hilfskräfte behindert, solide Unterrichtsmaterialien herzustellen.
Die Finanzierung der Hochschulen bestand in meiner gesamten Berufstätigkeit bis heute aus einer unvorstellbaren Wurstelei. Indem sie die Geldzahlungen den Schwankungen der Steuereinnahmen anpaßt, gefährdet diese Politik der Landesregierung den Auftrag der Universitäten. Die daraus resultierenden Schäden sind groß. [25] Da dieses Versagen sich auch bei allen anderen Landesregierungen findet, ist es ein Versagen politischer und ökonomischer Strukturen. Die Hauptursache liegt in einer von allen Regierungen praktizierten Politik der Vermehrung des privaten Reichtums und der öffentlichen Verarmung. Die Mängel in der Finanzierung der Hochschulen sind ein sehr schlagendes Argument für die Veränderung des Systems.
Die Situation wird verschärft durch ein obrigkeitsstaatliches Denken, das Abläufe verzögert, unendlich viel Arbeitszeit für Erhebungen für den Papierkorb verbraucht und mit sachfremden Gesichtspunkten die Qualität von Lehre und Forschung einschränkt. Eigentlich sollen Universitäten euch und eurer Ausbildung dienen. Faktisch aber ist es so, daß ihr euch an der untersten Stelle eines hierarchischen Systems befindet, Objekte statt Subjekte der Wissensvermittlung seid.
Universitätsleitung und Wissenschaftsministerium
Trotz aller inzwischen gesetzlich festgelegten Regeln von demokratischer Rechtstaatlichkeit herrschte während meiner Berufstätigkeit bis heute in oberen Rängen der Freiburger Rektoratsbürokratie ein Geist von Untertanenstaat und absolutistischer Willkür. Friedrich Wilhelm Sieburg, der nach der neuen Struktur des Universitätsgesetzes von 1969, dem ersten in der Geschichte Baden-Württembergs überhaupt, 1970 zum Kanzler der Universität, d. h. zum Chef der Verwaltung, gewählt wurde, ein Posten, den er bis zu seiner Pensionierung 1994 innehatte, entwickelte sich zum eigentlichen Leiter der Universität. Er dominierte die - selbstverständlich rechtskonservativen - Rektoren und setzte bei allen wichtigen Entscheidungen seinen Willen durch. [26] Sieburg, der selbst mir gegenüber bei der Begrüßung mit Handschlag einen Diener machte, war ein glühender Gegner der Studentenrevolte, ein fanatischer Antikommunist, der die abendländische Universität durch das Verstärken autoritärer Strukturen retten wollte. Er hat mit seiner straffen Befehlshierarchie die Selbständigkeit der MitarbeiterInnen der Universitätsverwaltung ruiniert, in vorauseilendem Gehorsam jedes Hüsteln des Ministeriums als Befehl aufgefaßt, Reformansätze mit Hilfe der konservativen Professorenklientel behindert und verhindert und der Universität großen Schaden zugefügt.
Möglich wurde diese Herrschaft durch eine Professorenschaft, die sich diesen Stil gefallen ließ und teilweise in geradezu kriecherischer Weise um die Gunst des scheinbar Allmächtigen buhlte, eine, wie mir scheint, typisch deutsche Verhaltensweise. Ermöglicht hat diese Herrschaft auch die Struktur der Universität. Der Verwaltungsrat, bestehend aus der Universitätsleitung, fünf gewählten Professoren plus je einem Vertreter des Mittelbaus und der Studentenschaft, entschied über alle Investitionen und den Finanzplan und hebelte den Senat, das Parlament der Gesamtuniversität, aus. Der Senat der Freiburger Universität war und ist seit 1970 ein Gremium strukturkonservativer Erstarrung. Er ist dafür verantwortlich, daß es in Freiburg keine Medienwissenschaften gibt und keine Professur für Frauenforschung. Daß die Industrie das Sagen hat, zeigt sich an der einzigen einschneidenden Veränderung, der Einrichtung der "Fakultät für angewandte Wissenschaften" mit ihrem Institut für Mikrosystemtechnik. Vor allem hat der Senat versagt in seiner Aufgabe, die Politik der Universitätsleitung zu kontrollieren.
Eine strukturkonservative Parteilichkeit war unübersehbar. Wie die Universität geleitet wurde, zeigt sich zum Beispiel daran, daß Medizinprofessoren jahrelang beträchtliche öffentliche Mittel zweckentfremden konnten, ohne daß die Universitätsleitung dies beanstandete, während bei mir schon bei der Verteilung eines Flugblatts in der Universität ermittelt wurde und ich schriftlich erklären mußte, keine Einrichtungen der Universität (Druckerei, Papier, Hilfskräfte, Hauspost) benutzt zu haben.
Daß die viel beschworene Rechtsstaatlichkeit, das Beamtenethos fairen Verhaltens und demokratische Grundregeln bei Funktionsträgern des Staates nur eine dünne Tünche sind, zeigte sich im Fall des Konflikts. Da Landesregierung und Landtag versuchten, das Hochschulrahmengesetz des Bundes von 1977 zu unterlaufnen - das Gesetz war schließlich von einer sozialliberalen Koalition gemacht worden - mußten habilitierte Akademische Räte in Baden-Württemberg prozessieren, um als Hochschullehrer anerkannt zu werden. Tübinger Kollegen erzwangen 1981 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Gesetzesänderung, die so restriktiv ausfiel, daß später Habilitierte wie ich erneut klagen mußten. Ich habe, stellvertretend für meine Kolleginnen und Kollegen, diesen Prozeß geführt, der dank des Bundesverwaltungsgerichts in einem neunjährigen Verfahren durch alle Instanzen 1997 gewonnen wurde. Das Amt eines Professors wurde uns dennoch nicht übertragen, weil Herrschende in Baden-Württemberg Gesetze und Gerichtsurteile unterlaufen können.
Das Ausmaß an Vertrauensbruch und Rechtsverletzungen ist beachtlich: Falsche Angaben vor Gericht über meine tatsächliche Tätigkeit, wider besseres Wissen, in betrügerischer Absicht. Prozeßverschleppung, als sich mein Sieg abzeichnet, durch den Rechtsanwalt der Universität, Dr. Konrad Huber, den späteren Vorsitzenden der Freiburger Goethe-Gesellschaft (das paßt), die der Rektor, Prof. Dr. Wolfgang Jäger, selbst auf meine Aufforderung hin nicht abstellt. Derselbe Rektor verweigert mir ein Gespräch, weil ich das Resultat des rechtskräftigen Urteils nicht widerrufe. Änderung von Dienstaufgaben gegen geltendes Recht, wozu der Rechtsberater des Rektors, Thomas Würtenberger, C 4- Professor für Öffentliches Recht, ein grob fehlerhaftes Rechtsgutachten erstellt. Als der Fakultätsrat nicht mitspielt, fälscht ein hochrangiger Beamter des Rektorats die Urkunde.
Falschaussage gegenüber den Gerichten und Urkundenfälschung sind strafbare Delikte. Anträge auf disziplinarische Konsequenzen werden verzögert und sind bis Januar 2004 noch nicht entschieden. [27]
Zu dem Komplex gehört, daß die Universitätsleitung einen Erlaß des Ministeriums für eine Beförderung von uns 10 Jahre lang unterschlägt. Der späte Antrag des Deutschen Seminars und der Fakultät auf meine Beförderung wird mit einem fadenscheinigen Grund solange verzögert, bis sich das Problem durch meine Pensionierung erledigt. Ein später Vorschlag des Rektors, meine Beförderung gegen Stornierung meiner Disziplinaranträge zu betreiben, erweist sich als Täuschungsmanöver.
Die Dienstaufsichtsbeschwerde von mir und einigen Kollegen gegen die Unterschlagung des Erlasses wird abgewiesen. Der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst von Baden-Württemberg, Prof. Dr. Peter Frankenberg, bestätigte am 15. September 2003, nach seiner Auffassung und der des Ministeriums sei es rechtmäßig, daß die Universitätsleitung fast 10 Jahre lang den Instituten und Fakultäten den Erlaß mit der Neuregelung vorenthalten hat und daß das persönliche Interesse eines Beamten an seiner Beförderung ein Grund ist, ihm die geltenden Richtlinien nicht zur Kenntnis zu bringen.
Da der Vorgang auf der Dienstebene abgeschlossen ist, erkläre ich, wie angekündigt, jetzt öffentlich, daß ich diesen Bescheid für unvereinbar mit dem Verwaltungsrecht halte, daß ich der Meinung bin, hier soll ein hochrangiger Beamter vor Strafe geschützt und es sollen Schadensersatzansprüche unmöglich gemacht werden. Der Rechtsbruch mit den Folgen ist eine Form von Korruption.
Das alles zeigt: Rechtsstaatliche Verfahrensregelungen werden von der Herrschaftsklasse nur dann eingehalten, wenn es ihren Interessen dient. Im Konfliktfall brechen Minister, Ministerialbürokratien und Universitätsleitungen geltendes Recht, und sie haben nur in Ausnahmefällen in der Professorenschaft keinen Rückhalt. Die beiden baden-württembergischen Verwaltungsgerichte Freiburg und Mannheim charakterisiert eine obrigkeitsorientierte Parteilichkeit. Sie ignorieren das hier anzuwendende Urteil des Bundesverfassungsgerichts und fällen ihre Urteile gegen geltendes Recht. Das Disziplinarrecht des Öffentlichen Rechts wird aufgefaßt als Recht der Obrigkeit gegen Untergebene. Nehmen Beamte dieses Recht auf dem umgekehrten Weg für sich in Anspruch, wird abgewiegelt. Ungleich sind auch die materiellen Voraussetzungen bei einem Prozeß. Die Universität kann problemlos ca. 30.000 DM für den verlorenen Prozeß gegen mich aufbringen, kein Verantwortlicher wird dafür zur Rechenschaft gezogen. Baden-Württemberg als Bananenrepublik zu bezeichnen, wäre eine Beleidigung - Südamerikas. Unsere Demokratie steht auf sehr wackeligen Beinen, und die Gefahr, daß im Fall von Konflikten demokratische Grundrechte wegfließen wie Schwemmsand, ist nicht realitätsfremd.
Ähnliches wie mit der Universitätsleitung erlebte ich auch auf Seminarebene. Die immer weiter um sich greifende Wiedererrichtung autoritärer Strukturen ist das Merkmal aller Novellierungen der Hochschulgesetze. Seit der jüngsten Änderung im Jahr 2000 ist dem Fakultätsrat das Budgetrecht, eines der fundamentalen demokratischen Rechte von gewählten Entscheidungsgremien, entzogen worden. Über die Verteilung von Geldern entscheidet jetzt allein der Fakultätsvorstand. Der Fakultätsrat, das Parlament der Mitglieder der Fakultät, ist, wie in Diktaturen, weitgehend eine Marionette.
Diese Rückkehr zur autoritären Entscheidungsbefugnis fand in den letzten Jahren auch in Seminarverwaltung des Deutschen Seminar II, des Instituts für neuere deutschen Literatur, statt. Die aus den Kämpfen um die Mitbestimmung aller Gruppen der Universität hervorgegangene Beteiligung im Senat und in den Fakultätsräten wurde nicht auf die Institute und Seminare ausgedehnt. Selbst für die Massenfächer war kein Kollektivorgan vorgesehen, der nur von den fest angestellten Habilitierten gewählte Geschäftsführende Direktor kann schalten und walten, wie er will. Geschäftsführender Direktor können nach dem Universitätsgesetz nur Professoren der Besoldungsgruppen C 4 und C 3 werden, habilitierte außerplanmäßige Professoren wie ich dagegen nicht. Im Deutschen Seminar hatte der Mittelbau den Ordinarien eine Konferenz aller Lehrkräfte abgetrotzt, aber die Entscheidung über alle wichtigen Belange: Stellenplan, Stellenbesetzung, Ausschreibungstext, Sach- und Personalmittel wurde dem Gremium aller Habilitierten, genannt Direktorenkonferenz, vorbehalten. Mit dem Niedergang des einst so mächtigen und aktiven Mittelbaus blieb dies das einzige Entscheidungsgremium des Seminars, getrennt für beide Teilinstitute.
Nach der Pensionierung von Gerhard Kaiser (1990), Wolfram Mauser (1993) und Hans Peter Herrmann (1994) versuchten die neuen Professoren, dieses Gremium aufzulösen und alle Entscheidungen den C4- und C3-Professor/en/innen vorzubehalten. Durch Mehrheitsbeschluß wurden zuerst die nicht angestellten Habilitierten um ihre Stimme gebracht und damit rausgeekelt. Als nach der Frühpensionierung von Prof. Dr. Irmgard Roebling der Ausschreibungstext zur Neubesetzung der Stelle als Vorschlag für die Fakultätskonferenz auf der Tagesordnung stand, brach der Geschäftsführende Direktor, Professor Jochen Schmidt, die bisherige Vereinbarung und lud die Habilitierten ohne Dauerstelle kurzerhand aus. Der Zweck war zu verhindern, daß die BewerberInnen für die Nachfolge von Frau Roebling in Frauenliteratur ausgewiesen sein müssen.
Noch gravierender war der Versuch, die Konferenz aller Habilitierten überhaupt abzuschaffen und alle Entscheidungen und damit auch die Informationen allein den drei C4- und den beiden C 3-ProfessorInnen vorzubehalten. Unter Rechtsbruch wurde der geschäftsführende Direktor nur von diesen gewählt. Mein Protest wurde abgewiesen und mir zugemutet, bei der Justiziarin der Universität Rechtsauskunft einzuholen. Deren Auskunft war eine Blamage für den Geschäftsführenden Direktor, Prof. Dr. Achim Aurnhammer. Die Wahl des Geschäftsführenden Direktors mußte wiederholt werden. Mein Insistieren auf Mitspracherechten aller Lehrkräfte endete mit dem Kompromiß, daß der Geschäftsführende Direktor vom gesamten Lehrkörper gewählt wird, die C-Professoren sich bereit erklärten, alle Belange des Seminars auf die Tagesordnung der Lehrkörperkonferenz zu setzen, daß aber der Geschäftsführende Direktor sich vorbehält, Mehrheitsentscheidungen nicht zu folgen, wenn er sie für falsch ansieht. Diese unter der Geschäftsführung von C 4-Professor Günter Saße getroffene Vereinbarung wurde von ihm selbst sofort gebrochen.
Dieser Stil hat die erneute Zerstörung vertrauensvoller Zusammenarbeit zur Folge. Die AssistentInnen, heute weniger NachwuchswissenschaftlerInnen als hoch belastete Lehrkräfte, rühren für ihre Mitspracherechte keinen Finger, aus Angst anzuecken und bei Bewerbungen nicht empfohlen zu werden. Wir sind wieder auf dem Stand von 1959 angelangt, als Rudolf Walter Leonhardt sein berühmtes Pamphlet gegen die Universitätsgermanistik schrieb. [28]
Das klingt nach den üblichen Querelen eines Berufslebens, hat aber grundsätzliche Bedeutung. Die Wiederauferstehung von Formen autoritärer Selbstverwaltung ist ein Zug in eine Gesellschaft der Untertänigkeit, die in der deutschen Geschichte so viel Unheil angerichtet hat. Der Ausschluß von Entscheidungen verletzt die Würde der Mitglieder des Deutschen Seminars, auch von euch, den Studierenden. Die schädlichen Folgen nicht kollektiver Seminarführung sind ganz konkret erkennbar. Die Troika der Selbstherrlichkeit: die C 4-Professoren Jochen Schmidt, Günter Saße und Achim Aurnhammer - hat dazu geführt, daß im Deutschen Seminar II viel zu viel Nachwuchs produziert wird. Statt bisher drei haben wir jetzt fünf AssistentInnen-Stellen, und Jochen Schmidt hat neben dem normalen Weg über eine Assistentur zwei habilitierte Dozentinnen seiner Klientel auf Zeitstellen gebracht, neue Konkurrenz für die HochschuldozentInnen und jetzigen AssistentInnen. Ein Assistent, der hochschulpolitisch engagierteste, hat angesichts von 160 Bewerbungen auf eine Dauerstelle resigniert und ist in den Schuldienst gegangen. Der Verhau von Personalstruktur ist die Folge eines Verhaltens, Nachwuchsförderung nach dem Gesichtspunkt der eigenen Eitelkeit zu betreiben, ohne Rücksicht auf die Folgen, und er ist die Konsequenz des Stillhaltens, sich nicht öffentlich zu wehren gegen Fehlentscheidungen von Universitätsleitung und Landesregierung.
Versagt haben die "leitenden" Professoren auch in der Mittelbeschaffung. Ausgestattet mit ausreichend Hilfskräften und in dem Bewußtsein, daß ihnen für ihre eigene persönliche Tätigkeit die derzeitige Bibliothek reicht, ist das Bemühen um die Beschaffung von Sach- und Hilfskraftgeldern sehr reduziert, um es vorsichtig auszudrücken. Die negativen Auswirkungen habt ihr in diesem Semester erlebt. Wegen eines Krankheitsfalls konnte das Geschäftszimmer, die wichtigste Anlaufstelle im Seminar für euch, zeitweise nur noch anderthalb Stunden täglich geöffnet werden; notwendig wäre die Öffnung von morgens bis abends durchgehend, über den gesamten Zeitraum der Seminaröffnung.
Obwohl sie bedauern, daß ihre Assistentinnen und Assistenten durch jetzt vier Stunden Lehre (ehemals waren es zwei!) ausgebeutet werden, sorgen die C 4-Profssoren nicht einmal dafür, daß die AssistentInnen und auch die HochschuldozentInnen auf Zeitstellen, die so viel Lehre geben wie die Professoren und sich durch Veröffentlichungen für Bewerbungen qualifizieren müssen, durch Hilfskräfte unterstützt werden. Von mir angeregt, hat vor wenigen Jahren eine Kommission einen detaillierten Plan zur Beschaffung von Geldern von außerhalb vorgelegt. Umgesetzt davon wurde - nichts.
Die Konservativen haben es während meiner gesamten Berufstätigkeit geschafft, sich als Hüter hoher Leistungsanforderung und beruflicher Redlichkeit auszugeben. Die Wirklichkeit sah anders aus. Als Carl Pietzcker in seinem Dekanat mit der Unsitte aufräumte, die Lehrveranstaltungen erst in der zweiten Semesterwoche zu beginnen, erwiesen sich überwiegend Kollegen der Altgermanistik, dem Hort konservativer Solidität und Korrektheit, als Sünder. Jochen Schmidt und Achim Auernhammer senkten die Leistungsanforderungen im Staatsexamen, gegen meinen Widerstand.
Der politische Konservatismus der Freiburger Universität läßt sich an zwei Beispielen aus den Jahren 1986 und 1990 belegen.
Der Schwarze Freitag Freiburger Naturwissenschaften am 27. Juni 1986.
Als sich nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 die Forderung nach Abschalten aller Atomkraftwerke verstärkte, organisierte die Universitätsleitung eine Veranstaltung zur Rettung der Atomkraft mit dem Thema "Radioaktivität und ihre Folgen". Auf ihr sprachen der Physiker Kay Runge, der Biologe Hans Mohr und der Radiologe Michael Wannenmacher, alle drei Professoren der Freiburger Universität, die sich als Kenner der Wirkungen radioaktiver Strahlung ausgaben. Über das aktuelle Thema, die Frage der Langzeitschäden kleinerer ionisierender Strahlung, sprachen sie fast überhaupt nicht. Ihre Vorträge bestanden in einer einzigen Glorifizierung von Atomenergie, zu deren Zweck sie, gegen die vorliegenden wissenschaftlichen Studien, die sie offenbar gar nicht kannten, die Gesundheitsrisiken verharmlosten.
Die Ignoranz in ihren wissenschaftlichen Fachgebieten wurde überboten durch eine provozierende Überheblichkeit gegenüber den berechtigten Sorgen der ZuhörerInnen in der voll besetzten Aula. Runge machte Witzchen über die Erhöhung von Grundstückspreisen in weniger verstrahlten Gebieten, der Mediziner Wannenmacher präsentierte das Ortsschild des Dorfes "Radium" in den USA, in dem es nur glückliche Einwohner gäbe. In sexistischer Manier zeigte er nur Frauenköpfe falscher und richtiger Behandlung durch radioaktive Strahlung, und wie der unmenschliche Arzt in Georg Büchners Woyzeck pries er die Schönheit krankhafter Ausprägung, hier eines krebskranken Fingers. Daß hinter den Zahlen möglicher Krebstoten durch Tschernobyl Menschen stehen und daß ein Arzt eigentlich verpflichtet ist, Risiken der Gesundheit abzuwenden, wurde kaum sichtbar.
Der Biologe Mohr sprach ständig von den "Experimenten" Hiroshima und Nagasaki, ein entlarvender Begriff, der die menschenverachtende Haltung noch dadurch verstärkte, daß "Experiment" in Anführungszeichen gesetzt wurde. Kein Wunder, daß er für eine autoritäre Expertenwissenschaft eintrat, der sich alle zu beugen hätten, und daß er in einem Beitrag in der Badischen Zeitung heftige Kritik übte an den Mitarbeitern von zwei Max Plack-Instituten, die den Ausstieg aus der Atomwirtschaft forderten, ihnen Kompetenzüberschreitung und "unbegründete Überheblichkeit" vorwarf. [29] Mohr, der auch im Jahr 2003 noch der Meinung ist, der Geheimdienst der DDR habe die bundesdeutschen Universitäten unterwandert, und der stolz darauf ist, so seine Worte, "die unheilvolle Umstrukturierung der Universität [...] zugunsten der linksextremen Kader" mit aufgehalten zu haben, stilisierte sich zum großen Ethiker der Technikfolgen, [30] während er sich im konkreten Fall als wissenschaftlicher Ignorant in Sachen Atomstrahlung erwies und als unmenschlicher Verteidiger der Atomwirtschaft handelte - ein Beispiel für die Gespaltenheit des Charakters bürgerlicher Eliten im Kapitalismus mit einer besonderen deutschen Tradition.
Dieses Waterloo Freiburger Naturwissenschaftler in ihrem Einsatz für die Atomenergie fand, und das war für uns das Bedrückenste, Unterstützung in der Haltung der Badischen Zeitung, die in Südbaden eine monopolartige Stellung unter den Tageszeitungen hat, und durch den Rektor, der keine Gegenrede in den publizistischen Organen der Universität zuließ. Ich hatte keine Chance, meine Kritik an der Veranstaltung zu veröffentlichen; die Badische Zeitung lehnte meinen Leserbrief ab, ebenso einen weiteren, in dem ich vorschlug, den Schülerinnen und Schülern, die an dem großen Protestmarsch teilnahmen und denen eine disziplinierende Eintragung ins Klassenbuch drohte, in das Zeugnis zu schreiben: "....[Name] kämpfte am 26. Juni 1986 demokratisch gegen die Vernichtungsdrohung durch Atomkraft".
An der Freiburger Universität waren es nicht NaturwissenschaftlerInnen, sondern Studierende und GesellschaftswissenschaftlerInnen, die sich gegen die Verharmlosung des Reaktorunfalls und atomarer Strahlung durch Atomkraftwerke wehrten. In einem längeren Leserbrief in der Badischen Zeitung warfen neun DozentInnen der Freiburger Philosophischen Fakultäten - die Philosophie-Professorin Ute Guzzoni und ihr Kollege Professor Jan Holl, der Historiker Professor Bernd Martin, der Linguistik-Professor Jürgen Dittmann, die Akademische Oberrätin und Sprachwissenschaftlerin Dr. Gisela Schoenthal, die Neugermanisten Professor Hans Peter Herrmann, Professor Erich Kleinschmidt, Professor Carl Pietzcker und ich - letztere sieben alle Deutsches Seminar - der Badischen Zeitung einseitige Berichterstattung vor. [31]
Gisela Schoenthal, Hans Peter Herrmann und ich kritisierten in einem Brief an den Rektor die parteiliche Auswahl der Redner und forderten, in einer künftigen Veranstaltung für das Mindestniveau und die Darstellung von Gegenmeinungen zu sorgen. [32] Ute Guzzoni, Jan Holl, Erich Kleinschmidt, Bernd Martin und Carl Pietzcker baten den Rektor, den Protest von uns dreien in den Freiburger Universitätsblättern, der wissenschaftlichen Hauszeitschrift der Universität, die der Rektor herausgab, abzudrucken. Der Rektor, unser altgermanistischer Kollege Volker Schupp, lehnte den Abdruck ab mit der fadenscheinigen, aber bezeichnenden Begründung, er könne das wissenschaftliche Niveau einer solchen Veranstaltung "einseitig nicht in Frage stellen lassen, zu der die einschlägigen Fakultäten die Informatoren gestellt haben." [33] Dieses In-Schutz-Nehmen von Ordinarien war eine klare Parteinahme für die Atomlobby, ein Lehrstück, was Herrschaftswissenschaft ist und wofür sich die Universität mißbrauchen läßt. Die Gegenveranstaltung wurde dann auch nicht von Rektorat organisiert, zu welcher der Rektor eigentlich verpflichtet gewesen wäre, sondern von Studierenden, die den Bremer Atomphysiker Jens Scheer einluden, der im Juli 1986 im übervollen Hörsaal 2004, vor vielen Hundert ZuhörerInnen, über die zu erwartenden Schäden durch die Tschernobyler Reaktorkatastrophe auf dem aktuellen Stand der internationalen Forschung sprach. Darüber berichtete die Badische Zeitung nicht.
Resultate: auf Naturwissenschaftler als Gesellschaftskritiker darf man nicht hoffen, man muß sich selbst informieren und auch auf fremden Fachgebieten mitreden. - Presse, Fernsehen und Rundfunk fallen in Konfliktsituationen als Korrektiv staatlicher Gewalt aus; sie haben tendenziell einen obrigkeitlichen Staatsbegriff und paktieren regelmäßig mit rechten politischen Anschauungen. Die wahren Hüterinnen der Demokratie sind Bürgerinitiativen und StraßendemonstrantInnen; in Einzelfällen gelingt es auch, im Rundfunk und in einigen Druckpublikationen Gegenöffentlichkeit zu erzeugen. Max von der Grün, Günter Wallraff, Alice Schwarzer oder Elfriede Jelinek ist das gelungen. Was z. B. die Bürgerinitiative Freies Wendland für einen lebbaren Staat geleistet hat und weiter leistet, ist kaum zu überschätzen.
Der Fall Dyck, Jens und Ueding
Der zweite Fall betrifft die Männerkumpanei bei einem nicht tolerierbaren Angriff auf Wissenschaftlerinnen. Am 24. November 1988 verleumdete der Oldenburger C 4-Professor Joachim Dyck in einem Vortrag hier in Freiburg Senta Trömel-Plötz und Luise F. Pusch, zwei herausragende feministische Sprachwissenschaftlerinnen, die infolge ihres Engagements keine Professorinnenstelle in der BRD erhielten, als unwissend, unfähig, dumm, professorensatt, moralisch minderwertig und verrückt. Frauen verließen türenknallend den Hörsaal. Ich war der einzige männliche Zuhörer, der in der anschließenden Diskussion massiv dagegen protestierte. Dyck veröffentlichte seinen Vortrag in der Frankfurter Rundschau, einer sich linksliberal gebenden überregionalen Tagezeitung, ferner in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Rhetorik. Ich verlangte die Veröffentlichung einer Replik von mir zu Dycks Text, was der federführende Herausgeber der Rhetorik, der Tübinger Rhetorikprofessor Gerd Ueding, mit der fadenscheinigen Begründung ablehnte, mein Replik sei zu persönlich. Zugelassen wurde eine sehr milde Replik von meiner Kollegin Gisela Schoenthal, die Dycks Fehlurteile zur feministischen Sprachwissenschaft richtig stellte. Wir hatten uns abgesprochen, und sie hatte mir die Verurteilung der persönlichen Angriffe Dycks gegenüber Trömel-Plötz und Pusch überlassen. Mit dem scheinbar legitimen Argument, die Rhetorik lasse nur eine Frau gegen Dyck zu Wort kommen, salvierte sich Ueding.
Bemerkenswert an diesem Vorgang ist nicht nur der alle Grenzen wissenschaftlicher Solidität und Fairneß sprengende Sexismus Dycks, sondern vor allem seine Unterstützung durch eine angesehene Zeitung und eine bis dahin angesehene wissenschaftliche Fachzeitschrift. Bemerkenswert ist ferner, daß mit Dyck, der viele Jahre hier in Freiburg mein Kollege war und unserem Kreis sozialistischer Wissenschaftler angehört hatte, und mit Walter Jens, dem Mitherausgeber der Rhetorik, Linke an dem Vorgang beteiligt waren. Ich hatte Jens von der Ablehnung Uedings, meinen Beitrag zu drucken, unterrichtet, und ihn aufgefordert, Dycks Beitrag zu verhindern oder meinen zuzulassen. Jens reagierte überhaupt nicht, war also als Herausgeber mitverantwortlich für den Eklat des Abdrucks eines unakzeptabel sexistischen Pamphlets.
Das Ganze hatte noch ein Nachspiel. Der Neugermanist Wolfram Mauser war Präsident der Lessing-Gesellschaft geworden und veranstaltete hier in Freiburg im Mai 1991 einen großen Lessing-Kongreß. Titel: "Streitkultur. Strategien des Überzeugens im Werk Lessings". Zu diesem Kongreß war Walter Jens als herausgehobener Hauptredner angekündigt, und Jochen Dyck mit einem Fachvortrag. Daraufhin schlug ich Jens und Dyck vor, zusammen mit Ueding, mir und Gisela Schoenthal am Rande des Kongresses über Dycks "Streitkultur" zu diskutieren. Weder Jens, Dyck noch Ueding reagierten überhaupt. Da ich sie zur Diskussion nicht zwingen konnte, erstellte ich eine Dokumentation mit allen Texten und Briefen in einer 46seitigen Broschüre, die ich auf dem Kongreß verkaufen wollte. Titel: Verleumdung von Wissenschaftlerinnen und Zensur. Der Fall Dyck, Jens und Ueding. [34] Ich verständigte Mauser als Kongreßleiter davon. Mauser hatte die Besorgnis, Jens werde absagen, wenn er in der Diskussion auf dem Kongreß Angriffe von mir erwarten müsse; er habe sich in diese Richtung bereits geäußert. Daraufhin versicherte ich Mauser, ich würde dem Kongreß fernbleiben, damit könne er Jens beruhigen. Ich ließ aber die Broschüre vertreiben und griff Jens damit an. Jens kam dann auch, nahm im herablassenden Ton zu meiner Broschüre als eines "Pasquillchens" in "Landsersprache" Stellung, das an seine, Jens’, Größe nicht heranreiche, distanzierte sich dann aber ein wenig von Dycks Stil. Dyck erschien überhaupt nicht, er meldete sich krank - Zeichen männlicher Tapferkeit, die er ja auch bei seiner Schlägen gegen Trömel-Plötz und Pusch bewiesen hatte. Über den gesamten Fall berichtete die Zeitschrift Emma. [35]
Das Nachspiel bestand dann auch in einer wütenden Attacke von Mauser gegen mich auf der nächstfolgenden Lehrkörperkonferenz der Habilitierten des Deutschen Seminar II mit dem Vorwurf, in einem abgekarteten Spiel hätte ich seine Lessing-Tagung mutwillig beschädigt. Er hat bis heute nicht begriffen, daß eine Tagung über Streitkultur, auf der nicht gestritten werden darf, widersinnig ist und daß ich kaum anders konnte, als bei dieser Konstellation Dycks und auch Jens’ Entgleisung von "Streitkultur" auf dem Kongreß zu thematisieren. Dies hatte mit Mausers Person nichts zu tun und war eigentlich eine würdige Aktualisierung von Lessings politischer Art des Streitens. Auf dem Kongreß vertrat und verteidigte mich mein Hilfsassistent Egon Clute-Simon, der wenige Jahre später durch in einem Verkehrsunfall zu Tode kam. Er wurde Wirtschaftsjournalist, ohne seine Kritik am System Kapitalismus und der Praxis der Herrschaft durch Privateigentum aufzugeben, ein seltenes Beispiel des aufrechten Ganges.
Ich halte den noch nicht sehr lange zurückliegenden Fall Dyck-Jens-Ueding repräsentativ für den Zustand der Germanistik in der BRD. Geht es um essentielle Themen der Macht, werden die gegenüber anderen stets eingeforderten Rituale der Fairneß und des Persönlichkeitsschutzes von etablierten Professoren nach Belieben und Willkür außer Kraft gesetzt.
Daß ein einzelner Professor sich eine Entgleisung erlaubt, ist nicht weiter bemerkenswert. Daß er aber nicht abgestraft wird, sondern sich hervorragende Publikationsorgane zur Verbreitung seiner Entgleisung hergeben, daß sogar die zurechtweisende Replik abgelehnt wird, daß der Präsident der Lessing-Gesellschaft nicht gegen Dyck und für die Sprachwissenschaftlerinnen entschieden Partei ergreift, sondern gegen Dycks Kritiker, daß ich, außer in dem Einwand der einzigen Freiburger Professorin für Neuere deutsche Literaturgeschichte, Irmgard Roebling, diese Sache sei nicht, wie behauptet, eine Privatangelegenheit zwischen mir und Dyck, keinen Fürsprecher unter den bürgerlichen Kollegen des Deutschen Seminar II fand - das alles sagt mehr aus über die Germanistik in der BRD und in Freiburg als viele hochtrabende wissenschaftliche Veröffentlichungen.
Dyck wurde wenige Jahre später von Carl Pietzcker im Namen des Deutschen Seminars II wieder zu einem Vortrag eingeladen. Mein Verlangen, er müsse sich zuvor bei Trömel-Plötz und Pusch entschuldigen, wurde abgelehnt.
Konsequenzen der Protesthaltung
Mit einer auch nur mäßigen Konsequenz seines Denkens und Handelns bringt man sich schnell in die Lage, ständig von allem ferngehalten zu werden. Man muß sich überlegen, ob man mit starker Selbstreduzierung sich die Chance des öffentlichen Mitredens und Gehörtwerdens erhält, oder bei seiner Meinung bleibt und abgewiesen wird. Das in jedem einzelnen Fall abzuwägende Verhalten hat bei mir jedenfalls dazu geführt, daß ich bis auf ganz wenige Ausnahmen keine Beiträge in bürgerlichen Tageszeitungen veröffentlichen konnte. Mir blieb nur der Weg des Leserbriefes. Ich bekam auch immer wieder Schwierigkeiten, weil ich die falsche Kollegialität durchbrach. Ich hielt und halte es für falsch, politische Taten von Professoren hinzunehmen, nur weil sie meine Kollegen sind.
Beispiele für die Folgen meines und unseres Schwimmens gegen den Strom:
– Wir protestierten - ohne Erfolg -, als Rektor Stoeckle 1980 das Verbot des Farben Tragens auf dem Gelände der Universität für studentische Verbindungen, die eine so schlimme Rolle im Faschismus gespielt hatten, aufhob. Und wir protestierten, als 1987 im Vorlesungsverzeichnis Werbeanzeigen für schlagende Verbindungen auftauchten - mit Erfolg.
– Ich durfte auf den jährlichen Freiburger Tagungen für Literatur und Psychoanalyse keinen Vortrag halten, obwohl ich mit Mauser, Cremerius und Pietzcker zusammengearbeitet habe. Ich werfe der Psychoanalyse in der BRD vor, seit den 80er Jahren ihre gesellschaftskritische Rolle aufzugeben zugunsten einer Kulturwissenschaft politischer Unverbindlichkeit im Kuschelraum immanenter Literaturinterpretation. Diesen Trend zeigen auch die Freiburger Fachtagungen. Ich wollte das dort thematisieren und habe das in einem Diskussionsbeitrag auch getan, worauf ich dann erst recht nicht eingeladen wurde zu reden. [36]
– Als ich eine Tagung über Torquato Tasso mit Dichterfeier in einem Leserbrief scharf angriff mit dem Vorwurf, die Tagung sei "eine Demonstration des herrschenden Geistes dieser Universität", zeige, "was herrschende ‚Kultur’ bei uns ist", weil der Kongreß, vom Rektor feierlich eröffnet unter der Schirmherrschaft eines Vertreters der italienischen Regierung, jener Regierung, in die gerade Faschisten eingetreten waren, jegliche Kritik an jenem Dichter vermissen ließ, der mit seinen Hautwerk Das befreite Jerusalem ein entsetzlich kolonialistisches, rassistisches und sexistisches Werk christlich militanter Intoleranz geschrieben hat, das für lange Zeit als italienisches Nationalkunstwerk galt - wurde mir per Beschluß von der Habilitiertenkonferenz eine Rüge ausgesprochen. [37] Jochen Schmidt bezeichnete mich als Psychopathen und versuchte anschließend, mich zu verleumden, indem er ausstreute, ich verriete Klausurthemen. Ich wurde von der Teilnahme an der Epochenvorlesung ausgeschlossen. Als eine weitere Folge wurde mir die Ehre zuteil, daß eine Zeit lang meinetwegen zu den offiziellen Habilitiertenkonferenzen jeweils eine Vorkonferenz aller Mitglieder, außer mir, in Privathäusern stattfand, in der die Beschlüsse vorgefaßt wurden, um meinen Einfluß auszuschalten. Welch eine Überschätzung meiner Person!
– Eine ähnliche Reaktion brachte mir meine scharfe Kritik an dem Freiburger Historiker Heinrich August Winkler in einem Leserbrief ein. [38] Winkler, der sich in Freiburg im Dezember 1973 mit seiner Antrittsvorlesung über Karl Marx blamiert hatte, weil in der Diskussion sein mangelhaftes Wissen zutage trat, dessen fanatischer Antikommunismus ihm aber ein glänzende Karriere bescherte, hatte sich 1990 vehement dagegen gewehrt, ehemalige DDR-Historiker/innen in den Historikerverband aufzunehmen. Ich warf ihm bornierten Antikommunismus vor. Daraufhin formulierte der Geschäftsführende Direktor des Historischen Seminars, Bernd Martin, den Unmut der Direktoren des Historischen Seminars über diese Unkollegialität, in einem Brief, der mich, der besseren Wirkung wegen, für weitere Behauptungen rügte, die ich gar nicht aufgestellt hatte.
– Als die Universität nach der Restaurierung ihres Repräsentationsbaus in der Löwenstraße die Dreiklassengesellschaft im Kantinenwesen einführte - für die Studierenden, das Proletariat, die Mensa; für die Angestellten, das Bürgertum, ein gesonderter Raum in der Mensa; für die Professoren und Großkopfeten der Verwaltung, den Adel, das postmoderne Ambiente des "Hauses zur lieben Hand" - reagierte ich mit einer Satire in der Freiburger Stadtzeitung. [39]
Mein Berufsleben erscheint vom Ende aus gesehen als eine Kette von Bemühungen, mit anderen zusammen den Zug unserer Gesellschaft und unsres Staates nach Rechts abzubremsen und die weitere Demontage der Demokratie aufzuhalten. In meinem Bewußtsein dienten die Handlungen dem Ziel, für eine lebbare Gesellschaft zu kämpfen. Ich meinte, ein ruhigeres Leben wäre mir lieber gewesen. In Konfliktfällen das doktrinäre, obrigkeitsstaatliche Verhalten von Funktionsträgern aufzudecken und diese in Bedrängnis zu bringen, machte neben der Unerfreulichkeit im ganzen auch ein wenig Spaß - eine infantile Freude. Im nachhinein will es mir scheinen, daß ein Motiv für diese Kämpfe auch war, im Bewußtsein letztlicher Vergeblichkeit der Langeweile zu entgehen, der Angst vor der Leere, dem Nichts. Wer kennt sich schon selbst?
Das Positivste des Berufslebens seid ihr, die Studierenden, gewesen, in allen Jahrgängen und Generationen. Ich will hier keine sentimental anbiedernde Lobeshymne auf euch singen, aber ein Bewußtsein davon, daß ein Hochschullehrer ohne Studierende nichts ist, habe ich schon. Ich hoffe, daß einige es empfunden haben, daß ich euch nicht zum Objekt meines Unterrichtens machen wollte und mich euer Denken wirklich interessiert. Zu einem angemessenen Abbau meiner Dominanz kam es nur selten, eure Sozialisation ist zu stark vom Bluff der Professorenautorität geprägt. Es ist mir auch zu wenig gelungen, euch aus der Reserve zu locken und zum Widerspruch zu bewegen. Das Ziel, daß ein Teil meiner Lehrveranstaltungen auf eurer Initiative basiert, habe ich dauerhaft nicht erreicht.
Das heikelste Problem meiner gesamten Berufstätigkeit aber waren die Konsequenzen aus den Massenmorden an Juden, Zigeunern, politischen Gegnern und Kriegsgefangenen. Nicht nur mein Privatleben, sondern auch mein gesamtes Berufsleben ist in mitunter bedrückender Weise von diesen schier unvorstellbaren Verbrechen eines Staates, des deutschen Staates, des Staates meiner Eltern, bestimmt worden.
Ich habe leider nicht das Glück gehabt, in einer anti-nationalsozialistischen Familie aufzuwachsen, war aber nicht so schlimm dran wie etwa Martin Bormann junior. Mein Vater, dessen Sympathien bei den Arbeitern lagen, dessen Dissertation von 1934 die Unternehmerpraxis des betrügerischen Bankrotts untersucht [40] und der als Rechtsberater der "Deutschen Arbeitsfront", der gleichgeschalteten Gewerkschaften, Arbeitnehmer in Prozessen vor Gericht vertrat, hat sein politisches Engagement für die Nationalsozialisten mit dem Leben bezahlt: er kam aus dem Krieg nicht mehr zurück, starb in russischer Gefangenschaft, 40 Jahre alt. Ich hätte ihn gern gefragt, warum er 1934, nach der Ermordung Georg Strassers und der Ausschaltung des Arbeiterflügels, mit der NSDAP nicht gebrochen hat. Meine Mutter, die wie mein Vater Wirtschaftswissenschaften studiert hatte und Diplomhandelslehrerin war, hat nie ein Schuldbewußtsein entwickelt; das Thema Judenvernichtung war in unserer Familie tabu, und da sie es als Witwe mit drei Kindern nach dem Krieg schwer gehabt hat und uns dennoch eine höhere Schulbildung und akademische Berufslaufbahn ermöglichte, konnte ich sie nicht zur Rede stellen. Als ich mich mit 22 Jahren finanziell selbständig machte, nahm ich mir vor, mich niemals mit meiner Mutter politisch auseinanderzusetzen; dabei ist es bis zu ihrem Tod im 98. Lebensjahr geblieben.
Eine unangenehme Erkenntnis war, daß ich, aufgewachsen in dieser Umgebung, als Jugendlicher und wahrscheinlich auch noch als junger Mann wohl ebenfalls Faschist geworden wäre. Als Kind im Vorschulalter habe ich stolz den rechten Arm zum "deutschen Gruß" gereckt und mit "Heil Hitler" gegrüßt, und im Sommer 1944, als Fünfjähriger, in ein Kellerfenster des Aufenthaltsraumes polnischer Zwangsarbeiter von Lepskis Sägewerk in der Löwenberger Landstraße in Bunzlau in Schlesien mutig und mit Angst "Pollacken" gerufen; danach bin ich schnellstens weggerannt.
Die Konsequenzen einer solchen Biographie sind zwiespältig. Auf der einen Seite bezog unserer Kampf um die Durchsetzung demokratischer Formen in allen Bereichen der Gesellschaft Energien aus der Angst vor der Wiederkehr einer neuen Ära und neuen Form von Faschismus. Auf der anderen Seite bin ich einer intensiven Beschäftigung mit dem Ausmaß der Greueltaten immer wieder ausgewichen. Schwer getan habe ich mich mit der faschistischen Literatur; an der Freiburger Arbeitstagung über Literatur im Dritten Reich imOktober 1984 nahmichnichtteil.Erstinden 90er Jahren hielt ich Seminare und erst 1998eineVorlesungals Gesamtdarstellung, immerhin die erste und bislang einzige in Freiburg.
Es hängt wohl mit Schuldgefühlen gegenüber meiner familiären und staatlichen Herkunft zusammen, daß mich bis heute Szenen dieses Verbrechens unmittelbar überstark ergreifen. Ich habe bis heutekeineeinzige KZ-Gedenkstätte besucht, weil ich mich dem nicht aussetzen wollte, und das vor mir gerechtfertigt mit dem Bewußtsein, daß ich diese Erfahrung für die Verstärkung meines Kampfes nicht benötige. In den achtziger Jahren habe ich eine Studentin, die bei mir ihre Examensarbeit über KZ-Literatur schreiben wollte, so wenig ermutigt, daß siezu jemand anderem ging. Erst spät habe ich eine Dissertation über KZ-Literatur betreut, und ich habe auch sehr spät erst - im vorigen Semester - ein Seminar über KZ-Literaturgehalten.
Wie nötig dieser Kampf war und ist, habe ich ständig neu erfahren. Als ich 1989 - noch vor der Wehrmachtsausstellung! - in einem Leserbrief in der Badischen Zeitung auf der Gesamtschuld der deutschen Wehrmacht an den Greueln in Rußland beharrte und diese eine Verbrecherarmee nannte, löste das eine Leserbrief-Debatte aus. Es hagelte anonyme Briefe und Anrufe, Beschimpfungen und Drohungen ("und sie leben noch, Sie Drecksau?"). Einer schrieb an den Rektor, dieser möge mir als Dienstvorgesetzter meine Äußerungen untersagen.
Wie groß die Gefahr ist, zeigte auch die Rede des ehemals linken Schriftstellers Martin Walser zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels im November 1998. Seine Attacke gegen die "Auschwitzkeule" beantwortete das Auditorium, einschließlich des Bundespräsidenten Roman Herzog, mit stehenden Ovationen; nur Ignaz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, blieb sitzen. Ich habe in einem Leserbrief im stern gefordert, Walser den Preis wieder abzuerkennen. [41]
Die Gefahr des Verdrängens von Auschwitz offenbarte sich in den letzten Jahren auch bei der außergewöhnlich pathetischen Verherrlichung von Hans Georg Gadamer zu dessen 100. Geburtstag 2000, zu dessen Tod 2002 und in den Gedenkartikeln 2003. Der Philosoph Gadamer, kein Nationalsozialist, Schüler und Freund von Martin Heidegger, tauchte angesichts der politischen Brisanz seiner Zeit in die Antike ab und machte im Dritten Reich Karriere als Professor. Heute ist er für viele, allzu viele, der Repräsentant des gutem Menschen und einer unpolitischen Wissenschaft in der Reinheit der Humanität - eine politisch gefährliche Illusion. [42]
Bei einer politischen Berufsbiographie wie meiner wird die Frage nach Vorbildern gestellt. Ich habe kein Idol und kein Vorbild gehabt, davor bewahrte mich die Aversion gegen alles Autoritäre überhaupt. Neomarxisten und Psychoanalytikern wird oft nachgesagt, daß sie Karl Marx bzw. Sigmund Freud zu ihrem Übervater wählen. In unserer Gruppe gab es das nicht. Marx’ und Freuds Menschenbild und Theorien wurden einer historischen Kritik unterzogen. Fasziniert hat mich Günter Wallraff wegen seines Kampfes gegen Unternehmerpraktiken der Ausbeutung. Über Wallraff hielt ich 1981 meine Antrittsvorlesung. Als er vor der permanenten Belästigung durch den Verfassungsschutz 1986 vorübergehend ins Exil nach Holland ging, habe ich ihn in einem Leserbrief in der Frankfurter Rundschau als den eigentlichen Schützer unserer Verfassung bezeichnet. [43]
Heute sehe ich mich in der Tradition sozialistischer Aufklärung des 19. Jahrhunderts und parteiunabhängiger Linker des 20. Jahrhunderts wie Else Lasker-Schüler (1869-1945), Otto Rühle (1874-1943), Franz Pfemfert (1879-1954) und Max Herrmann-Neiße (1886-1941). Vorbilder heute sind für mich Alice Schwarzer, die sich selbst durch das Bundesverdienstkreuz nicht hat korrumpieren lassen, und Elfriede Jelinek, die bedeutendste der deutschsprachigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller der Gegenwart und die durch rechtsradikale Drohungen am meisten Gefährdete. Hier im Freiburger Raum Wilfried Telkämper, der aus der Dritte-Welt-Bewegung kam, Germanistik studiert hat, Tutor in unserem Schulprojekt war und viele Jahre als Abgeordneter der Grünen dem Europaparlament angehörte; er hat sich nicht angepaßt, verlor sein Mandat und trat bei der Frage der Kriegsbeteilung Deutschlands aus der Grünen-Partei aus.
Historisch dialektisch materialistische Wissenschaft und eine politisch verstandene Wissenschaft der Psychoanalyse sind immer noch verfemte Wissenschaften. Die bürgerliche Gesellschaft weigert sich weiterhin, ihre Geschichte und ihre politische Unkultur zur Kenntnis zu nehmen. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird sich in kurzer Zeit die Neuere deutsche Literaturwissenschaft in Freiburg aus der politischen Öffentlichkeit ganz verabschieden und im Hafen einer unanstößigen Kulturwissenschaft landen.
Ich schließe mit einem Anachronismus - mit einem scheinbaren Anachronismus. Obwohl das kämpferische internationale Proletariat untergegangen zu sein scheint, singe ich jetzt die Internationale, und zwar in der "rührend unbeholfenen Übersetzung" von drei Strophen von Emil Luckhardt, die sich aber trotz aller Mängel durchgesetzt hat. [44] Eugène Pottier, der Kämpfer und Dichter der Pariser Commune 1871, die nach Karl Marx "der erste Versuch einer proletarischen Revolution" war, schrieb sein sechsstrophiges Gedicht unmittelbar nach der Niederlage, Pierre Degeyter vertonte es 1888, und seither begleitete das Lied alle Demonstrationen und Kämpfe der internationalen Arbeiterbewegung.
Das Lied ist ein kämpferisch soldatisches Weck- und Aufbruchslied um das große Wort "Menschenrecht", ein Lied im Stil der Marseillaise mit Metaphern von Glut und Krater, von Blut, Raben und Geiern und im Stil von Heinrich Heines Gedicht Die Weber von 1844. Angesichts der vielen Kriege des 20. Jahrhunderts haben wir Vorbehalte gegen Kriegsmetaphorik. Sie hat sich im 19. Jahrhundert aber auch für den Kampf des Proletariats entwickelt. Büchners und Weidigs proletarisch revolutionäre Schrift von 1834 trägt den Titel: "Friede den Hütten - Krieg den Palästen".
Die Internationale singt von Hunger, Knechtschaft und Sklaverei des Proletariats und stimmt darin für Deutschland und die entwickelten Industriestaaten nicht mehr ganz. Weltweit begriffen, angesichts des Hungers in vielen Teilen der Welt, ist das Lied aber brandaktuell. Und aktuell ist auch bei uns die Klage über Ausbeutung und Unterdrückung der für Lohn Arbeitenden, denn die Kluft zwischen Arm und Reich verbreitert sich auch bei uns zum unüberwindlichen Abgrund. Das Leben der Arbeiterschaft ist immer noch, auch in Deutschland, eine nicht endende Kette von Niederlagen und Demütigungen, die Rede von der sozialen Verpflichtung des Eigentums sind auch heute nur leere Worte. Und im Anblick der immer sich erneuernden Hydra von wirklichen und imaginierten Autoritäten scheint mir aktuell auch die Ablehnung von Gott, Kaiser und Tribun als möglichen Rettern, und aktuell das Vertrauen nur auf sich selbst. Modern ist wie beim Manifest der Kommunistischen Partei vor 156 Jahren der Appell an den internationalen Zusammenschluß des Proletariats, angesichts der multinationalen Konzerne eine Überlebensnotwendigkeit. Und es bleibt eine realistische Utopie, in einer auf Gemeineigentum basierenden Gesellschaft die ökonomische, physische und psychische Ausbeutung der Arbeitenden zu beenden. Der Sozialismus bleibt die große Vision.
Es ist daher doch so anachronistisch nicht, daß ein Professor, in einer besoldeten Vorlesungsstunde im Amt, in einem Hörsaal der sonst kapitalismuskonformen Freiburger Universität - die Internationale singt. Vermutlich geschieht dies zum ersten und wahrscheinlich für lange Zeit zum letzten Mal. Mein Gesang erhebt keinen Anspruch auf künstlerische Qualität; ich weise alle Vermutungen zurück, ich wollte damit eine Pensionärskarriere als Sänger starten; mein Gesang ist eher symbolisch. Ich singe auch nicht allein, sondern mit Franz Joseph Degenhardt, Hanns-Dieter Hüsch, Dietrich Kittner, Hanns Ernst Jäger, Dieter Süverkrupp, Fasia, Lerry, Hannes Stütz und den Agitpropgruppen Die Conrads, mit der Hamburger und der Münchner Songgruppe. Ihr seid alle eingeladen, mitzusingen:
Text: Eugène Pottier 1871; Musik: Pierre Degeyter 1888, deutsche Übersetzung: Emil Luckhardt, 1910
1. Wacht auf, Verdammte dieser Erde,
Die stets man noch zum Hungern zwingt!
Das Recht wie Glut im Kraterherde
Nun mit Macht zum Durchbruch dringt.
Reinen Tisch macht mit dem Bedränger!
Heer der Sklaven, wache auf!
Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger,
Alles zu werden, strömt zuhauf.
Refrain:
Völker! Hört die Signale!
Auf! Zum letzten Gefecht!
Die Internationale
Erkämpft das Menschenrecht!
Völker! Hört die Signale!
Auf! Zum letzten Gefecht!
Die Internationale
Erkämpft das Menschenrecht.
2. Es rettet uns kein höh’res Wesen,
Kein Gott, kein Kaiser noch Tribun.
Uns aus dem Elend zu erlösen,
Können wir nur selber tun!
Leeres Wort: der Armen Rechte!
Leeres Wort: der Reichen Pflicht!
Unmündig nennt man uns und Knechte,
Ertragt die Schmach nun länger nicht!
Refrain
3. In Stadt und Land, ihr Arbeitsleute,
Wir sind die stärkste der Partei’n!
Die Müßiggänger schiebt beiseite,
Diese Welt muß unser sein!
Unser Blut sei nicht mehr der Raben
Und der mächt’gen Geier Fraß!
Erst wenn wir sie vertrieben haben,
Dann scheint die Sonn’ ohn’ Unterlaß!
Refrain
Das war’s.
Veröffentlichungen von Rüdiger Scholz
Die deutsche Universitätsgermanistik im 21. Jahrhundert, in: Rudolf Walter Leonhardt, Der Sündenfall der deutschen Germanistik, Neuauflage der Schrift von 1959, hg. v. R. Scholz, 2004
Kritik der Sozialgeschichtsschreibung. Zur Diskussion gegenwärtiger Konzepte, hg. v. R. Scholz. Darin: R. Sch., Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der Geschichtsschreibung. Der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in neueren Gesamtdarstellungen und Wirtschaftsgeschichten, S. 11-48. - R. Sch., Gesellschaftsgeschichte als "Paradigma" der Geschichtsschreibung. Das theoretische Fundament von Hans-Ulrich Wehlers Deutsche Gesellschaftsgeschichte, S. 87-133
Literaturtheorie und Geschichte. Zur Diskussion materialistischer Literaturwissenschaft, hg. v. R. Scholz, K.-M. Bogdal, Opladen 1996. Darin: R. Sch., Die Parteilichkeit fiktionaler Literatur, S.217-236
Frühe Zerfallserscheinungen des bürgerlichen Selbst, in: Jb. der Psychoanalyse 23, 1988, S. 213-241.
Literatur und Phantasie. Schöpferischer Umgang mit Kafka-Texten in Schule und Hochschule, Stuttgart 1990 (zus. mit Hans Peter Herrmann)
Dialektik, Parteilichkeit und Tragik des historisch-politischen Dramas "Carolus Stuardus" von Andreas Gryphius, in: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft, Jg. XXIX, 1998, 2. Halbband, S. 207-239
Eine längst fällige historisch-kritische Gesamtausgabe: Jakob Michael Reinhold Lenz, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 34, 1990, S. 195-229.
Zur Biographie des späten Lenz, in: Lenz-Jahrbuch,Bd. 1, 1991, S. 106-134
J. M. R. Lenz, An den Geist, in: Lenz-Jahrbuch, Bd. 10/11, 2000/01, 2003, S. 173-192
J. M. R. Lenz, An mein Herz, in: Lenz-Jahrbuch, Bd. 10/11, 2000/01, 2003, S. 147-171
Welt und Form des Romans bei Jean Paul, Bern-München 1973
Die beschädigte Seele des großen Mannes. Goethes"Faust" und die bürgerliche Gesellschaft, Rheinfelden 1982, 2. überarbeitete und erweiterteAuflage1995 Goethes "Faust" in der wissenschaftlichen Interpretation von Schelling und Hegel bis heute. Ein einführender Forschungsbericht,Rheinfelden 1983, 2. überarbeiteteund erweiterte Auflage 1993
Die Gewalt dichterischer Ideologie. Das Bild der "Kindsmörderin" in der Literatur und die soziale Wirklichkeit, in: H. Bay, Chr. Hamann, Hgg., Ideologie nach ihrem ’Ende’. Gesellschaftskritik zwischen Marxismus und Postmoderne, Opladen 1995, S. 245-268.
Goethe und die Menschenrechte im Staate Weimar. Ein Lehrstück zur politischen Parteilichkeit der Klassik, in: Colloquia Germanica, Bd. 33, 2000, S. 367-385.
Goethes Schuld an der Hinrichtung von Johanna Höhn, in: Goethe-Jahrbuch 2003, Weimar 2004
Das kurze Leben der Johanna Catharina Höhn. Kindesmorde und Kindsmörderinnen im Weimar Carl Augusts und Goethes. Die Akten zu den Fällen Johanna Catharina Höhn, Maria Sophia Rost und Margaretha Dorothea Altwein, hg. v. R. Scholz, 2004
Zur gegenwärtigen Bedeutung von Arbeiterliteratur, in: Volker Zaib, Hg., Kultur als Fenster zu einem besseren Leben und Arbeiten. Festschrift für Rainer Noltenius, Bielefeld 2003, S.147-171
Prof. Dr. Rüdiger Scholz, geb. 1939, lehrte von 1968 bis 2004 Neuere deutsche Literaturgeschichte am Deutschen Seminar der Universität Freiburg
Freiburger Universitätsrede am 11. Februar 2004 in der Aula
Erweiterte Fassung
Abschluß der Vorlesung: Geschichte der sozialistischen Literatur
© Rüdiger Scholz, Universität Freiburg, Deutsches Seminar, Januar 2004
Inhalt
– Begrüßung
– Die Koordinierten Lehrveranstaltungen (KLv)
– Das Goethe-Bild
– Die Universität
– Die Politik der Landesregierung
– Universitätsleitung und Wissenschaftsministerium
– Die Seminarleitung
– Der Schwarze Freitag Freiburger Naturwissenschaften am 27. Juni 1986.
– Der Fall Dyck, Jens und Ueding
– Konsequenzen der Protesthaltung
– Abgesang
– Die Internationale
– Veröffentlichungen von Rüdiger Scholz