Freiburger Staatsanwaltschaft lässt Computer dreier Studenten beschlagnahmen, weil sie gegen deren Mitbewohner ermittelt
Von unserem Mitarbeiter Stefan Waschatz
"Mitgefangen - mitgehangen": Diesen Ermittlungsgrundsatz aus der Rechtsgeschichte wenden die Freiburger Staatsanwaltschaft und die Polizei auf Wohngemeinschaften an. Auf der Suche nach Beweisen gegen einen 27-Jährigen haben die Behörden seine WG durchsucht, die er mit drei anderen Studenten bewohnt. Gegen die Mitbewohner des Beschuldigten hege sie keinerlei Verdacht, teilt die Staatsanwaltschaft mit - die Computer der unbeteiligten WGler ließ sie trotzdem beschlagnahmen.
"Es ist häufig so, dass Beschuldigte Beweismittel bei ihren Mitbewohnern verbergen", sagt der Sprecher der Freiburger Staatsanwaltschaft, Wolfgang Maier. Aufgrund dieser Erfahrung beantragten die Staatsanwälte "routinemäßig" Durchsuchungsbeschlüsse für komplette Wohngemeinschaften. Das Amtsgericht, das Wohnungsdurchsuchungen erlauben muss, teile die Ansicht der Ermittlungsbehörden, dass ein solches Vorgehen rechtmäßig sei.
Dem 27-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft vor, am 14. November in Freiburg mit Flugblättern zum Schwarzfahren aufgerufen zu haben. Auf den beschlagnahmten Computern könnten Hinweise darauf zu finden sein, dass er diese Flugblätter selbst hergestellt habe. "Alle vier Betroffenen haben sofort gegen die Beschlagnahme Widerspruch eingelegt", sagt der Anwalt des Beschuldigten, Michael Moos. Das Amtsgericht habe daraufhin jedoch der Staatsanwaltschaft Recht gegeben. Moos kündigt zudem an, beim Landgericht Beschwerde gegen die Beschlagnahme einzulegen. Durchsuchung und Beschlagnahme stünden in keinem Verhältnis zur Schwere der Straftat, die seinem Mandanten angelastet werde. "Möglicherweise können die Computer wochen- und monatelang nicht benutzt werden", meint Moos. Der zuständige Staatsanwalt habe ihm mitgeteilt, dass die Abteilung der Polizei überlastet sei, die Computer inspiziere. Tatsächlich sehen sich die Behörden nicht in der Lage, diese Befürchtungen auszuräumen. Staatsanwalt Maier: "Wann die Computer wieder herausgegeben werden, hängt von den Kapazitäten der Polizei ab." Die aber lehnt es ab, zu dem Fall Stellung zu nehmen. "Es handelt sich um ein laufendes Verfahren, dazu sagen wir nichts", sagt Polizeisprecher Ulrich Brecht.
Walter Perron, Professor für Strafprozessrecht an der Universität Freiburg, weist darauf hin, dass die Strafprozessordnung an eine Durchsuchung von Räumen "Dritter", also Menschen die keiner Straftat beschuldigt werden, gesteigerte Anforderungen stellt. "Für eine Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten genügt schon, dass sich dort nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung Beweismittel befinden können." Eine Durchsuchung bei "Dritten" sei dagegen nur zulässig, wenn Tatsachen darauf hindeuteten, dass sich in deren Räumen bestimmte Beweismittel oder Tatspuren befänden.
Aus dieser Gesetzessystematik schließt Moos: "Es genügt nicht die Behauptung, dass es in einer Wohngemeinschaft immer üblich sei, dass auch Computer der Mitbewohner benutzt werden. Das ist doch keine Tatsache." Am kommenden Samstag will die Antifa ab 14 Uhr mit einer Demonstration am Platz der alten Synagoge gegen "das skandalöse Vorgehen" der Polizei demonstrieren.
Quelle: Badische Zeitung vom Mittwoch, 15. Dezember 2004