20 Demonstranten, zwei Polizisten: In Freiburg flackert immer noch Protest gegen Hartz IV auf - wenn auch nur noch schwach
Von unserem Redakteur Joachim Röderer
Gestern Abend, 18 Uhr, auf dem Rathausplatz. "Was, die gibt’s noch?", wundert sich ein Passant. Und weicht mit einem Schlenker einem Montagsdemonstranten aus, der ihm ein Flugblatt entgegenhält. "Weg mit Hartz IV" steht auf dem Zettel und auf einer Laterne, die - drei Abende vor St. Martin - zu Freiburgs kleinstem Laternenumzug gehört. Am Montag davor, an Allerheiligen, trug das Häuflein der hartz-gesottenen Demonstranten ganz in schwarz gekleidet einen Sarg mit der Aufschrift "Sozialstaat" durch die Innenstadt.
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Immerhin 16 Organisationen von Attac bis zur DKP haben das Flugblatt des "Freiburger Bündnisses gegen Sozialabbau" unterschrieben. Zum Höhepunkt der Hartz-IV-Debatte im Spätsommer sind immerhin 300 Freiburger mitmarschiert. Gestern Abend verloren sich nur noch 20 Frauen und Männer auf dem zugigen Rathausplatz. Und zwei Polizisten.
Aber aufgeben, weil Hartz IV immer weniger Protestler auf die Straße bringt? Ingo Zerrer schüttelt den Kopf. "Es sind zwar nur noch wenige Leute, aber die stehen ernsthaft dahinter", sagt er. Bei vielen Anderen hätte sich die Wut einfach in Resignation umgewandelt, so Zerrer, der sich in der Initiativgruppe für den Aufbau der marxistisch-leninistischen Partei engagiert. Bis Ende Dezember seien die Demos angemeldet. Doch der Protest solle bis ins neue Jahr getragen werden. Erst dann würden nämlich viele Bürger die Auswirkungen der Hartz-Reformen spüren, so Zerrer.
Eine Sprecherin verliest am "offenen Mikro" einen Bericht über einen Frauenkongress und muss - es sei schwer mit der Konzentration - die Mitdemonstranten zur Ruhe ermahnen. Eine Gruppe Touristen, die auf Stadtführung den Rathausplatz überquert, ist doppelt so groß wie die der Hartz-Gegner. "Uns schiebt keiner weg", tönt es trotzig vom Band, als die Demo loszieht. Passanten machen einen Schlenker. Die Kerze in der Laterne flackert schwach.
Quelle: Badische Zeitung vom Dienstag, 9. November 2004