Der Islamismus ist eine Ideologie, das Konzept einer Gesellschaftsordnung, deren politische, wirtschaftliche, soziale, juristische, religiöse und kulturelle Grundlage der Islam, die im Koran offenbarte Heilige Schrift, bildet. Diese Gesellschafts- ideologie wird von ihren Anhängern als Gegenentwurf zu den beiden großen Weltideologien Kapitalismus/ westliche Demokratie einerseits und Sozialismus/ Kommunismus andererseits verstanden. Letzteren gemeinsam ist ihre materialistische, also nicht auf einer Religion basierende Konstitution. Darin liegt der Kern des von Vertretern islamistischer Gesellschaftskonzepte unterstellten unlösbaren Widerspruchs, der Antagonie der Systeme. In diesem Kontext sind die Aufklärung und die Französische Revolution von 1789 die neuralgischen Punkte aller islamistischen Bewegungen.
Nach dem Niedergang des Sozialismus/Kommunismus propagieren Islamisten nun ihr "islamisches" Gesellschaftsmodell als einzige Alternative zum westlichen Demokratiemodelle unter Führung der USA. Neben den USA und den säkularen bzw. mit "dem Westen" kooperierenden Regimes in den Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung sind es insbesondere "die Juden", die in nahezu allen islamistischen Strömungen als Feindbild herhalten müssen. Die Trennung von Staat und Religion, die Säkularisierung - nach islamistischer Lesart liegt darin die Ursache für Dekadenz, Ausbeutung und Ungerechtigkeit und schließlich für den Niedergang des "Westens" und auch des Christentums. "Die Juden als geheime Macht", die hinter der Aufklärung und der Französischen Revolution stehen mit dem Ziel, "die Weltherrschaft zu erlangen", werden vor diesem Hintergrund als Feindbild konstruiert.
Vermehrt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden zunächst Stereotype des europäischen christlich-religiösen Antisemitismus Eingang in die islamische Welt. Im 20. Jahrhundert setze daran an ein Transfer des modernen Antisemitismus des europäischen Faschismus. Antisemitische Stereotype, wie die "jüdische Weltverschwörung" oder der "Jude als die Inkarnation des Bösen", vermischten sich mit einem auch in islamischen Quellen zu findenden religiös begründeten Antisemitismus und finden in Israel ihre propagandistische Projektionsfläche. Nur eine differenzierte Analyse der einzelnen Akteure und ihrer Gesellschaftskonzepte ermöglicht es, legitime Kritik an der israelischen Politik von antisemitischer Stimmungsmache unterscheiden zu können. Der Antisemitismus und aktuell auch der Antiamerikanismus sind essentielle Elemente des Islamismus geworden. Sie haben im Kern nichts mit dem Kolonialismus, Israel oder mit der us-amerikanischen Dominanz in der Welt nach 1945 zu tun. Dennoch vermögen die Islamisten daraus ihr propagandistisches Kapital zu schlagen und nichtmuslimische Bündnispartner zu finden.
Zur Person: Claudia Dantschke ist freie Journalistin für die deutsch-türkische Fernsehanstalt AYPA-TV in Berlin. Zahlreiche Publikationen zu den Themen Migration, Islam und Islamismus sowie Antisemitismus. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zentrum Demokratische Kultur (ZDK) in Berlin u.a. Studien über Islamismus, Rechtsextremismus und Rassismus in Berliner Stadtteilen.