Von unserem Mitarbeiter Sven Meyer
"Ich will mein Leben irgendwann mal in den Griff bekommen", sagt der ein wenig in die Jahre gekommene Punk vor Prozessbeginn. Deshalb flüchtete er aus seinem mit Drogenproblemen beladenen Dresdner Umfeld nach Freiburg. Hier wollte er nach eigener Aussage "einen Neuanfang starten". Doch dann kam der turbulente 17. Januar: Er trank zu viel Alkohol, war dann an einer Hausbesetzung beteiligt und beschimpfte die Gesetzeshüter laut Zeugenaussagen als "Nazibullerei". Auch warf er mit Flaschen nach Polizeibeamten. Einen Tag später wurde der 41-Jährige arbeitslose Maurer verhaftet und kam in Untersuchungshaft.
Jetzt wurde sein Fall vor dem Freiburger Amtsgericht verhandelt. Dem Angeklagten wurden schwerer Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Erst wenige Tage vor besagtem Samstag war er nach Freiburg gekommen. An diesem Tag nahm er nach eigenen Angaben "reichlich angetrunken" an einer von der "Antifa Freiburg" veranstalteten Demonstration gegen eine Versammlung der rechtsradikalen "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft" teil. Letztere fand allerdings der Ankündigung zum Trotz nicht statt. Begleitet von einem größeren Polizeiaufgebot zogen die Demonstranten daraufhin Richtung Basler Straße, wo es rund Hundert von ihnen schließlich gelang, in die Räume der ehemaligen - lange leer stehenden - Gaststätte "Fortuna" einzudringen, um sie "symbolisch" zu besetzten - und zwar aus Solidarität mit den einige Tage zuvor vertriebenen Besetzern von Haus 053 im Stadtteil Vauban. Ein harter Kern, zu dem auch der Angeklagte zählte, beließ es jedoch nicht bei dem symbolischen Akt, der von der Mehrzahl der Demonstranten um 22 Uhr beendet wurde, sondern blieb. Vor dem Haus hatten sich derweil zwei Dutzend behelmter Polizisten formiert.
"Es kann sein, dass ich mit Flaschen geworfen habe. Ich weiß es nicht mehr." Der Angeklagte
Die Atmosphäre muss zu dem Zeitpunkt bereits höchst brenzlig gewesen sein, als der - während der Verhandlung finster dreinblickende - Mann sämtliche Hemmungen verlor und anfing, die Beamten mit Flaschen zu bewerfen. Gleichzeitig flogen aus dem besetzten Gebäude Feuerwerkskörper, die vor den Füßen der Ordnungshüter explodierten.
Der hagere Maurer war den Beamten schon zuvor durch seinen auffällig geflochtenen Kinnbart und seine wüsten Pöbeleien gegenüber der Polizei aufgefallen. Die als Zeugen geladenen Polizisten hatten keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Angeklagten, um den Flaschenwerfer handelte, der zuvor schon mehrmals wegen Betrugs und wiederholtem Schwarzfahren inhaftiert worden war. Der Betroffene selbst wollte seine Straftat gar nicht bestreiten: "Ich habe getrunken, getrunken, getrunken. . . Irgendwann habe ich mich in dem Haus wiedergefunden. Es kann sein, dass ich dann mit Flaschen geworfen habe. Ich weiß es nicht mehr." Ob der Punk tatsächlich derart betrunken war, wurde vom Gericht zwar angezweifelt, Gegenteiliges konnte jedoch nicht bewiesen werden.
Für den Richter stand dennoch außer Frage, dass der randalierende Neu-Freiburger, damals in Kauf genommen habe, dass Polizisten von dem Flaschenbombardement getroffen wurden. "Bei einem unglücklichen Treffer auf den Schädel wären lebensgefährliche Verletzungen möglich gewesen", erklärte er.
Der Staatsanwalt forderte für den Mann, der sich seit knapp zweieinhalb Monaten in Untersuchungshaft befindet, eine Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung. Der Richter jedoch berücksichtigte, dass der Angeklagte zuvor noch nie durch ein Gewaltdelikt aufgefallen ist und dass er zudem vermutlich alkoholisiert war. Er verurteile ihn zu acht Monaten auf Bewährung, machte aber klar, dass sich der Verurteilte künftig auf dünnem Eis bewegt: "Wenn Sie nur ein Mal schwarzfahren, wird die Bewährung sofort aufgehoben und Sie sitzen." Der Verurteilte entschuldigte sich bei den Polizisten, die er angegriffen hatte und will nun einen zweiten Neuanfang unternehmen.
Quelle: Badische Zeitung vom Samstag, 3. April 2004