Nun rollt sie also, die Stadtbahn Haslach: Tausende von Freiburgern feierten am Samstag in Haslach und in der Wiehre den Start der neuen blauen Linie 5, dem bislang größten Projekt der Freiburger Verkehrs-AG (VAG). Die Feststimmung trübten die Kritik des Bürgerforums "Lebenswerte Wiehre" an der Trassenführung und später dann die KTS-Demonstranten: Die brachten nach der Eröffnung den Straßenbahnverkehr in der Innenstadt zum Erliegen und zogen sich durch das damit angerichtete Chaos am Freifahrt-Tag den Unmut vieler Bürger zu.
Von unserem Redakteur Joachim Röderer
Mit dem 12-Uhr-Läuten der Johanneskirche wurde die Weiche in der Günterstalstraße neu gestellt. Wenige Augenblicke später schwenkte VAG-Fahrerin Ruth Bauer mit ihrer Straßenbahn in die Basler Straße - für die erste offizielle Fahrt in Richtung Haslach und Rieselfeld. "Durch die neue Linie werden die Distanzen kürzer und die Stadt wächst zusammen", sagte Oberbürgermeister Dieter Salomon. Die neue Linie 5 habe für ihn symbolischen Charakter: Sie verbinde
Symbolkraft hat für ihn auch die neue Basler Straße, in der nun Fahrradfahrer, Fußgänger und eben die Stadtbahn Vorfahrt hätten. Bei allen unterschiedlichen Meinungen sei die Umgestaltung der Straße wegen der Stadtbahn ein Gewinn für die Wiehre. Allen sei bewusst, so der OB, dass die Trassen-Entscheidung zu Verärgerung und Frustrationen vor allem bei den Anwohnern der Lorettostraße gesorgt habe. Salomon versprach, alles dafür zu tun, dass durch das neue Verkehrskonzept die Lorettostraße vom Durchgangsverkehr entlastet wird.
Nach dem Dank an die Zuschussgeber des 30-Millionen-Projektes Stadtbahn Haslach richtete der OB aber auch mahnende Worte an die Ministeriums-Vertreter aus Berlin und Stuttgart wegen der drohenden Zuschusskürzungen: "Abstriche beim öffentlichen Personennahverkehr tun ganz besonders weh". Die Erweiterung des Netzes von Stadtbahn und Breisgau-S-Bahn "bleiben
Referatsleiter Dieter Glück vom Bundesverkehrsministerium in Berlin sah die vom Bund eingesetzten Investitionsmittel in Freiburg gut angelegt und sicherte weitere Unterstützung zu. Staatssekretär Stefan Mappus vom Verkehrsministerium in Stuttgart appellierte an die Bürger: "Nutzen Sie diese Möglichkeit! Sie entscheiden, ob dieses Projekt ein Erfolg wird". Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg erinnerte an die Debatte Anfang der 70er-Jahre, als die Stadtverwaltung die Straßenbahn abschaffen wollte. Es ist ganz anders gekommen: "Wir können heute auf 30 Jahre vorbildliche ÖPNV-Politik zurückschauen". Der Emmendinger Landrat Hanno Hurth, Vorsitzender des Zweckverbandes Regio-Nahverkehr Freiburg, blickte über die Türme der Johanneskirche hinaus: "Von dieser Linie profitiert die ganze Raumschaft".
Am Ende kamen dann noch zwei Kontrahenten aus dem Stadtteil zu Wort. Klaus Winkler, Vorsitzender des Bürgervereins Mittel- und Unterwiehre, begrüßte die neue Linie im Stadtteil. Er hoffe, dass die Straßenbahn angenommen werde, "damit der überbordende Autoverkehr abnimmt". Christa Dzionara, Vorsitzende des Bürgerforum "Lebenswerte Wiehre", sah noch wenig Grund zur Freude, weil es keinen Eratz für die für den Durchgangsverkehr geschlossene Basler Straße gebe. "Wir fühlen uns wie der Gastgeber beim Leichenschmaus", sagte sie und kassierte heftige Buhrufe, die den Beifall übertönten.
"Wir sollten nach vorne schauen und nicht zurück", versuchte VAG-Vorstandssprecherin Helgard Berger die Wogen wieder zu glätten. Sie zeigte sich überwältigt vom Zuspruch, denn die Eröffnungsfeste in Haslach und in der Wiehre gefunden hatten. Aber nicht nur dort drängten sich die Fahrgäste: Freie Fahrt für alle, hieß schließlich das Motto des Tages und die Straßenbahnen und Busse waren so voll wie sonst nur an SC-Heimspieltagen. Doch bald war wegen der durch die KTS-Demonstranten blockierten Schienen fürs erste Schluss mit freier Fahrt: VAG-Fahrplanchef Wolfgang Plöger und sein Team hatten jede Menge Stress und mussten über Stunden die Bahnen an Holzmarkt und Stadttheater wenden lassen. "Gott sei Dank war zu dem Zeitpunkt die Eröffnung schon gelaufen", atmete Plöger tief durch.
Quelle: Badische Zeitung vom Montag, 22. März 2004