In Freiburg haben rechtsextreme Kräfte keine Chance: So heißt es seit dem Erfolg gegen den NPD-Aufmarsch vom vergangenen September. Doch ein Irrtum zu glauben, dass es solche Bestrebungen hier nicht gibt. Wie erst jetzt bekannt wurde, haben sich vorige Woche Sympathisanten der neonazistischen "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft" (BVDG) im Lehener "Schützen" getroffen. Auch die antifaschistische Szene wusste davon. Nur die Polizei muss, mangels Info, im Nachhinein ermitteln.
Ein Hinweis findet sich auf der Homepage der Freiburger Gruppe La Banda Vaga. Am 12. September, heißt es dort, habe sich im "Schützen" eine Ortsgruppe der Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft (BDVG) gegründet. Anwesend seien zwei Funktionäre aus Aalen, ein Freiburger BDVG-Anhänger und fünf Teenager gewesen. Zuvor hätten alle eineinhalb Stunden lang an der Bushaltestelle Paduaallee auf weitere Interessenten gewartet. Doch stattdessen hätten Antifas mit Fotoapparaten das Beisammensein besucht. Das habe den Neonazis gar nicht gefallen. Die Aktion sei damit beendet, das Gasthaus verlassen worden.
Auch die Veranstalter selbst berichten über das Treffen - freilich aus ihrer Sicht. "Im national-strukturschwachen Freiburg", seien zwar nur sieben Besucher gekommen, heißt es auf der Homepage der Organisation. Diese aber seien in "kameradschaftlicher Runde" über die Ziele der BDVG informiert worden. "Lustig wurde es, als etwa 10 bis 15 vermummte Antifa-Kinder, vor allem hysterische Weibsbilder, im Türrahmen standen und Fotos machten". Sofort hätten die "Kameraden" die ungebetenen Gäste des Raumes verwiesen. Vor dem Lokal habe man noch mit ihnen "diskutieren" wollen, doch sie seien "wie vom Erdboden verschluckt" gewesen.
"Wenn uns keiner informiert, können wir nicht überall sein", hieß es in der Polizeidirektion auf die Frage, warum keine Streife vor Ort gewesen sei. Doch im "Schützen" hatte dazu niemand einen Grund gesehen. Die Versammlung sei ganz friedlich verlaufen, berichtete dort Burkhard Runge. Erst als die "Störenfriede" aufgetaucht seien, sei es laut geworden: "Die haben sich verbal angebellt wie Hunde". Dass es sich bei den Veranstaltern um eine rechtsextreme Vereinigung handelte, habe man im Schützen ebenfalls nicht gewusst. "Ein netter, junger Mann", erklärte Runge, habe "unter einem ganz normalen Namen wie Schmidt oder Schulze" das Nebenzimmer gemietet. "Wir können doch nicht jeden fragen, wo er herkommt."
Das könnte die Polizei anders sehen. Sie kennt die BDVG schließlich als Organisation mit offen neonazistischer Ideologie. Seit ihrer Gründung 1999 wird sie vom Verfassungsschutz beobachtet, und auch in Freiburg, sagte Polizeisprecher Ulrich Brecht, habe man sie im Auge. Wenn die Polizei nun auch die Bevölkerung um Hinweise bittet - [TEL]0761/882-4884 und 0761/41262 (anonym) - Grund zur Panik ist laut Brecht nicht gegeben. "Hier lässt es die politische Landschaft nicht zu, dass so etwas größer wird", meint der Polizeisprecher. Bei der BVDG herrscht trotzdem Aufbruchstimmung. Auf ihrer Website verkündet sie: In Freiburg sei nun der Grundstein gelegt. Und: "Die Kameraden vor Ort sind motiviert".
ko
Quelle: Badische Zeitung vom Samstag, 20. September 2003