"Kein Tag ohne", beginnt die Parole des autonomen "Kulturtreffs in Selbstverwaltung". Dann folgt eine kleine Pause, danach skandiert der Chor: "KTS!" So auch gestern Nachmittag auf der Zuhörertribüne des Gemeinderats. Von dort aus mussten sich KTS-Macher und -Gänger dann aber anhören, dass Oberbürgermeister Dieter Salomon ganz offiziell das Ende der KTS im Bahnbetriebswerk kundzutun hatte: Am Montag hatte die Bahn in einem Schreiben an die Stadt die erst kürzlich vereinbarte vorläufige Duldung der Kultur-Initiative widerrufen. Die Bahn habe mit diesem Schreiben, wie es in einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung heißt, "eine Freimachung des Gebäudes verlangt". Seit etwa einem Jahr hatte sich das von Anfang schwierige Verhältnis zwischen Bahn und KTS-Nutzern derart verschlechtert, dass immer wieder Krisengespräche mit Vertretern der Bahn, der Initiative und der Stadtverwaltung als Hauptmieterin geführt werden mussten. Ausgangspunkt dafür waren Vorwürfe der Bahn, der reguläre Betrieb rings um das teilvermietete Gebäude werde stetig und heftig gestört.
Der Konflikt gipfelte in einer formalen Kündigung am 5. Februar, allerdings mit der Zusage, die KTS werde bis auf weiteres in den angemieteten Räumen geduldet. Einzige Auflage: Es dürfen fortan keine Veranstaltungen mehr stattfinden. Daraufhin zogen Veranstalter und Gäste an den vergangenen beiden Wochenenden in die Stadt und veranstalteten ihre nicht genehmigten Open-Air-Konzerte dort im Freien. Außerdem gab es eine ebenfalls nicht genehmigte Demo, bei der rund hundert KTS-Sympathisanten den Bahnhof, kurzzeitig gar ein Gleis belagerten.
Diese Vorfälle nennt die Bahn nun als Grund für den Widerruf der Duldung: Es sei zum einen zu einer Gefährdung des Bahnbetriebs gekommen, zum anderen zu erheblichen Störungen. Insgesamt sechs Stunden Verspätung wurden errechnet. Ein klarer Vertragsbruch. "Aktionen wie diese", erklärte der OB gestern, "machen die Suche nach neuen Räumen nicht einfacher." Und diese Suche habe bereits mit der Kündigung begonnen. "Die zuständigen Ämter sind aufgerufen, nach geeigneten Ersatzobjekten im Bestand der Stadt oder anderer Eigentümer zu suchen."
Einstweilen, erklärte Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach, hätten mehrere Spielstätten zugesagt, aus Solidarität aktuell für Konzerte bereit zu stehen - so das Jugenddenkmal, die Wodanhalle und das E-Werk. Wem diese Spielstätten nun allerdings geöffnet werden sollen, ist unklar: Die "Betreiber" der KTS, die Untermieter der Stadt im Bahnbetriebswerk jedenfalls, gibt es seit dem 4. Februar gar nicht mehr. Da nämlich hat sich der Förderverein "Subkultur" aufgelöst. So fordert das Rathaus auch Ansprechpartner bei der KTS.
Wie da Verhandlungspartner miteinander ins Gespräch kommen können, bewegt auch Professorinnen und Professoren der Evangelischen Fachhochschule. Ihr Vorstoß, ein bürgerliches, solidarisches Bündnis für den Erhalt der KTS in ihren bisherigen Räumen zu schmieden, zeigte zwar sofort Erfolg, kommt aber mit dem Widerruf der Duldung wohl zu spät. "Bahn, Stadtverwaltung und KTS sprechen verschiedene Sprachen", hatte Cornelia Helfferich, Prorektorin an der EFH, die Idee der Initiative erklärt, "da kann man helfen, indem man quasi übersetzt." Ein Angebot, das wohl auch bei der erneuten Raumsuche von Nutzen sein kann.
lit
Quelle: Badische Zeitung vom Mittwoch, 18. Februar 2004