(Sarah Strohschein) Die Qualität der Kleidungsstücke ist hochwertig, die Schnitte sind gut, der Internetauftritt ist modern. Auf den ersten Blick handelt es sich bei Klamotten der Marke Thor Steinar um ganz normale Freizeitmode. Freizeitmode allerdings, die sich nach Beobachtungen des brandenburgischen Innenministeriums zu einem eindeutigen Erkennungszeichen der rechtsextremistischen Szene entwickelt hat. Die Besonderheit liegt im Detail: Das Thor-Steinar-Logo zeigt zwei miteinander verschlungene altgermanische Runen, die Tyr- und die Gibor-Rune. Die eine war im Nationalsozialismus Zeichen der SA-Reichsführerschulen, die andere wurde von der Waffen-SS verwendet. In dieser Woche ordnete die Staatsanwaltschaft Neuruppin nun die Beschlagnahmung der Kleidungsstücke bei der Herstellerfirma Mediatex an, auch die Wohn- und Geschäftsräume der Unternehmensinhaber wurden durchsucht.
"Der Bezug zum Nationalsozialismus ist zu erkennen"
Gegen das Unternehmen werde wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt, bestätigte Oberstaatsanwalt Jürgen Schiermeyer. Zuvor hatte bereits das Amtsgericht Prenzlau den Träger eines Thor-Steinar-Pullovers zur Zahlung von 30 Tagessätzen à zehn Euro verurteilt. "Bei dem Logo ist der Bezug zum Nationalsozialismus eindeutig zu erkennen", begründete Schiermeyer das Vorgehen gegen die Firma.
Seit rund zwei Jahren vertreibt Mediatex aus Zeesen in Brandenburg die Klamotten bundesweit. Eine Verbindung zur rechtsextremen Szene weist das Unternehmen jedoch weit von sich. "Wenn die Sachen Leuten gefallen, die ein Problem mit der Verfassung haben, dann ist das nicht das Problem der Firma Mediatex", findet ihr Anwalt Markus Roscher. Das Logo habe mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun - schließlich existiere die Runensymbolik bereits seit Jahrtausenden. Das Unternehmen selbst sei vollkommen unpolitisch.
Logo soll vom Markt genommen werden Roscher hält das Vorgehen der Justiz für unverhältnismäßig. Ein Bezug zum Nationalsozialismus sei bei dem Logo für den normalen Bürger nicht zu erkennen. "Wenn man so argumentiert, dann könnte man auch gleich den 1. Mai als Feiertag abschaffen, denn der ist von Hitler eingeführt worden. Oder es unter Strafe stellen, Wagner zu hören", findet der Anwalt. Trotzdem werde Mediatex das Logo jetzt vom Markt nehmen und ein neues entwickeln. Maßnahmen, um sich von der rechtsextremen Szene eindeutig abzugrenzen, erwäge die Firma jedoch nicht. "Wir sind schließlich nicht mehr in der DDR, wo man sich ausdrücklich von allem Möglichen distanzieren musste", so Roscher.
Vom "NSDA" in "LONSDALE"
Dass es auch anders geht, zeigen Firmen wie Lonsdale und Fred Perry. Beide Unternehmen gehörten lange Zeit zu den wichtigsten Kultmarken der rechtsextremen Szene - und wehren sich seit Jahren konsequent gegen diese Vereinnahmung. Dass Fred Perry ein britischer Tennisspieler jüdischen Glaubens war, der in den dreißiger Jahren mehrfach das Wimbledon-Turnier gewann, interessiert die Rechtsextremisten nicht. Genau so wenig wollen sie wissen, dass Lonsdale eine alte britische Boxer-Marke ist, in deren deutscher Zentrale in Neuss 40 Mitarbeiter aus 16 Nationen arbeiten. Die Neonazis folgen einer ganz eigenen Logik. Werden Lonsdale-Shirts unter einer geöffneten Bomberjacke getragen, sind die Buchstaben "NSDA" zu lesen. Zwar fehlt der Buchstabe "P" für die Partei Adolf Hitlers - allerdings machen sich die Träger auch nicht strafbar. Das Logo von Fred Perry zeigt einen Lorbeerkranz, der von den Neonazis zum Siegerkranz umgedeutet wurde.
Konsequentes Vorgehen gegen Vereinnahmung von rechts
Beide Unternehmen unterstützen seit Jahren Initiativen und Projekte gegen Rechtsextremismus. "Wir unterstützen Menschen und Aktionen, die von Neonazis abgelehnt werden", beschreibt Peter K. Friesenhahn, Lizenzinhaber von Fred Perry in Deutschland, die Strategie. So habe seine Firma unter anderem eine Tournee im Rahmen der Stern-Aktion "Mut gegen rechte Gewalt" mitfinanziert und die Münchner Aktion "Sport ist Power gegen Gewalt" unterstützt. Lonsdale sponsert seit fünf Jahren das "Augen Auf"-Kulturfestival in Sachsen und startete 2003 die Kampagne "Lonsdale loves all colours". Auch das offizielle Motto-T-Shirt für den Christopher-Street-Day in Köln stellte das Unternehmen zur Verfügung. "Läden, die im Ruf stehen, an die rechte Szene zu verkaufen, werden von uns unangemeldet und verdeckt überprüft und gegebenenfalls aus der Kundenkartei gestrichen", erklärt Tobias Heupts von der Firma Punch, die die Lizenzrechte für Lonsdale in Deutschland besitzt. Bislang seien davon 16 Läden betroffen.
Umsatzeinbrüche bis zu 75 Prozent
Beide Unternehmen sehen bereits deutliche Erfolge ihrer Kampagnen. "Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass auf rechtsextremen Internetseiten dazu aufgerufen wurde, keine Fred Perry-Klamotten mehr zu kaufen", so Friesenhahn. Lonsdale belegt die Wirkung der Maßnahmen mit Zahlen. "Im Brennpunktgebiet Sachsen ist unser Umsatz seit September 2003 um 75 Prozent eingebrochen", erklärte Heupts. An der schleppenden Konjunktur habe das jedoch nicht gelegen: "Insgesamt sind unsere Verkaufszahlen stabil".
Quelle: tagesschau.de vom Samstag, 20. November 2004
Weitere Infos gibt es auf unserer Übersichtsseite zu "Thor Steinar".