ZEESEN. Die von Rechtsradikalen bevorzugte Bekleidungsmarke "Thor Steinar" nimmt ihr umstrittenes Runenlogo vom Markt. "Die Firma hat alle Händler aufgefordert, die Logos zu entfernen oder die Ware zurückzugeben", sagte Markus Roscher, Rechtsanwalt der Firma Mediatex, am Donnerstag der Berliner Zeitung. Mediatex produziert und vertreibt die umstrittene "Thor Steinar"-Kleidung. Die Firma aus Zeesen bei Königs Wusterhausen beugt sich damit dem Druck der Staatsanwaltschaft Neuruppin. Auf Antrag der Neuruppiner Behörde hatte das Amtsgericht Königs Wusterhausen bereits am Dienstag eine bundesweite Beschlagnahme jener Textilien angeordnet. Die Neuruppiner Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass jenes Runenlogo "nationalsozialistischen Symbolen zum Verwechseln ähnlich ist". Diese Runen seien während der NS-Diktatur von der SA beziehungsweise der Waffen-SS getragen worden. Ein 23-Jähriger hat vom Amtsgericht Prenzlau wegen des Tragens eines "Thor Steinar"-Pullovers bereits einen Strafbefehl erhalten. Weitere Verfahren sind anhängig. Mehrere Läden wurden bereits polizeilich durchsucht.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg/Havel stellte sich am Donnerstag hinter die Neuruppiner Behörde: "Wir haben die anderen Staatsanwaltschaften angewiesen, ebenfalls so zu verfahren", sagte Rolf Grünebaum von der Generalstaatsanwaltschaft. Die oberste Behörde hofft aber weiter auf eine höhergerichtliche Entscheidung. "Die Generalstaatsanwaltschaft hat uns angewiesen, den Beschluss zur Beschlagnahmung vorerst nicht zu vollstrecken", sagte die Neuruppiner Staatsanwältin Lolita Lodenkämper. Am Donnerstagabend erklärte Rechtsanwalt Roscher der Berliner Zeitung, dass er Rechtsmittel gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Königs Wusterhausen einlegen werde. Der Firma entstehe durch die Entscheidung der Justiz "ein existenzgefährdender Schaden", sagte Roscher. "Aber ein neues Logo ist bereits in der Mache", so der Anwalt.
Gericht geht gegen Kultkleidung der rechten Szene vor Beschlagnahme von Textilien der Marke "Thor Steinar" beschlossen. Firma wehrt sich
(Tagesspiegel, Frank Jansen) Neuruppin - Die Kollektion mit dem Runen-Wappen ist in der rechten Szene Kult. Neonazis und Skinheads präsentieren stolz Textilien der Marke "Thor Steinar", erst recht wenn darauf sogar "Division Thor Steinar" prangt. Selbst vor Gericht zeigen Glatzköpfe ungeniert das Runen-Logo. Doch die Sorglosigkeit könnte bald ein Ende haben. Das Amtsgericht Königs Wusterhausen hat, wie jetzt bekannt wurde, am Dienstag einen weitreichenden Beschluss erlassen - zur Beschlagnahme von Thor-Steinar-Logos und damit markierter Kleidung.
Das Gericht hat sogar die "Unbrauchbarmachung" der zur Produktion des Runen-Wappens gebrauchten Vorrichtungen wie "Platten, Formen, Drucksätze, Druckstöcke, Negative oder Matritzen" angeordnet. Der Beschluss (Aktenzeichen 2.2 GS 594/04) ist in Deutschland einzigartig. Nun sind bundesweit Razzien gegen Geschäfte möglich, die Kleidung mit dem Runen-Logo verkaufen. Und Polizeieinsätze bei der MediaTex Gmbh, die von Zeesen (Dahme-Spreewald) aus die Marke vertreibt. Thor Steinar droht die Götterdämmerung.
Den Beschluss hatte die Staatsanwaltschaft Neuruppin beantragt, das Amtsgericht übernahm die Auffassung der Anklagebehörde nahezu komplett. Für die Staatsanwaltschaft ist das Runen-Logo ein Kennzeichen, das Emblemen des NS-Regimes zum Verwechseln ähnlich sieht. Ein Pfeil mit großem Dach wird durchkreuzt von einer Art Blitz, unten ruhen zwei Punkte. Die Staatsanwaltschaft hält das Logo für eine Kombination aus der Tyr-Rune, einst Ärmelemblem der Absolventen der "Reichsführerschulen", und der Wolfsangel, die in den Abzeichen mehrerer Divisionen der Waffen-SS auftauchte. Und: Drehe man das Logo ein wenig nach rechts, sähen die Zacken unter dem Dach aus wie SS-Runen, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Außerdem sei "Steinar", vor allem in Verbindung mit dem Begriff "Division", eine gezielte Hommage an den von Neonazis glorifizierten SS-General Felix Steiner.
Das Strafgesetzbuch kennt bei NS-Symbolen kein Pardon. Wer sie öffentlich zeigt, verbreitet oder Gegenstände mit braunen Insignien zur Verwendung im In- und Ausland herstellt, muss nach Paragraf 86a mit Geldstrafe oder maximal drei Jahren Haft rechnen. Auch wenn ein Kennzeichen dem Nazi-Original nicht bis zum allerletzten Häkchen entspricht.
Genau so bewertet die Staatsanwaltschaft Neuruppin den Fall Thor Steinar. Der Antrag auf Beschlagnahme von Logos und Kleidung "entspricht unserem Grundsatz ,Null Toleranz gegenüber Rechtsextremisten?", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher. Im August erreichte seine Behörde einen ersten Erfolg: Das Amtsgericht Prenzlau verhängte gegen einen 23-Jährigen eine Geldstrafe von 300 Euro - weil er öffentlich einen Pullover mit dem Runen-Logo getragen hatte. Weitere Anklagen sind anhängig. Im Oktober mussten jedoch Textilien, die Polizisten in einem Hennigsdorfer Geschäft beschlagnahmt hatten, zurückgegeben werden. Die Rechtsgrundlage reichte da noch nicht aus.
Der Fall ist allerdings auch nach dem Gerichtsbeschluss nicht einfach. Brandenburgs Generalstaatsanwaltschaft hat zum Bedauern Schnittchers die Anweisung gegeben, den Beschluss aus Königs Wusterhausen noch nicht zu vollstrecken. Er wolle abwarten, wie das Landgericht Potsdam über die zu erwartende Beschwerde der MediaTex entscheidet, sagt Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. Auch er halte das öffentliche Zeigen des Runen-Logos für strafbar, "aber ich will nicht das Risiko eingehen, dass wir den Betrieb stilllegen und hinterher eine Entschädigung zahlen müssen".
Der Geschäftsführer von MediaTex gibt sich forsch. "Hier wird nichts beschlagnahmt", sagt Uwe Meusel. Außerdem liege schon eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen eine Neuruppiner Oberstaatsanwältin vor. Das Logo von Thor Steinar hält Meusel für harmlos, "das ist nur ein T und ein S in Runenschrift". Über die Firma sagt Meusel kaum mehr als: "Wir lassen weltweit produzieren." Dass sich Neonazis um Thor Steinar reißen, ist ihm egal - "wir schauen den Leuten nicht in die Köpfe". Auf Fragen nach seiner eigenen Haltung zum Rechtsextremismus sagt Meusel nur: "Ich muss mich hier nirgendwo distanzieren."
Quellen: Berliner Zeitung / Tagesspiegel vom Freitag, 12. November 2004
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